Vertrauen

Wenn der eigene Körper plötzlich nicht mehr wie gewohnt funktioniert, mündet das manchmal in einem Vertrauensbruch. Aus einem bis dahin unumstößlichen „Mir passiert schon nichts.“ wird ein „Wieso ausgerechnet ich?“ Und dann kommt es drauf an…

Erkenntnisse, wie „Ah! Das ist so, weil mich ein Pferd gebissen hat“, sind für uns zwar unschön, aber zugleich auch wünschenswert. Sie präsentieren uns schnell und eindeutig eine Ursache für unser Leiden, die wir – und das ist das Entscheidende – zukünftig meiden können. Ganz anders bei nicht so klar eingrenzbaren Beschwerden, wie CCI/AAI. Denn hierfür ist oft kein eindeutiger und erst recht kein alleiniger Auslöser auszumachen. Somit kann im Nachhinein auch nicht einfach Abstand dazu eingenommen werden, zumal sich die verschiedenen auslösenden Faktoren und deren Konsequenzen mit der Zeit vermischen und dadurch alles noch unübersichtlicher wird. Wohin also mit dem Misstrauen, wenn kein konkretes Ziel existiert? Eigentlich bleibt da nur das einzig Greifbare: der eigene Körper.

Mistkörper

Pausenloser Symptombeschuss kann einen in den Wahnsinn treiben, vor allem wenn man ihm partout nicht ausweichen kann. In sich selbst gefangengehalten bäumt sich bei Vielen neben Misstrauen nach und nach die Überzeugung auf, gänzlich widerstandslos geworden zu sein – oder anders ausgedrückt: ein hoffnungsloser Fall.

Neues Futter für diese Haltung gibt es wie ein Souvenir nach jeder weiteren wirkungslosen Intervention durch Ärzte, Therapeuten oder Heiler. Wut macht sich breit und am liebsten möchte man ausholen, um sich selbst in den Hintern zu treten und dabei lauthals zu brüllen: „Mistkörper, wieso kannst du nicht einfach heilen?!“

Aber woher wollen wir eigentlich wissen, dass er das nicht längst tut?

Der Körper weiß sich zu helfen

Nach zehn Jahren als verkannter Zombie bin ich zu einer Überzeugung gelangt, die nicht einmal eine Abrissbirne zerschmettern könnte. Und das obwohl sie auf den ersten Blick unglaubwürdig erscheint: Der Körper weiß sich zu helfen. Er weiß es nicht nur, er tut es auch.

Schon klar, sowas sollte ich mal den Angehörigen einer an einem Glioblastom zugrundegehenden Mutter vortragen, deren Kinder sie nicht mehr erkennen, weil die starken Medikamente ihr Gesicht wie Hefeteig aufgehen lassen. Oder einem schwer an CCI/AAI erkrankten Vater, der es nicht mehr aus dem Bett schafft, zerfressen von Schuldgefühlen, weil er seiner Familie auf der Tasche liegt. Ich weiß um solche Schicksale; ich bin Sterbebegleiterin. Ich weiß, dass alles seine Grenzen hat.

Aber zugleich auch wieder nicht! Der Körper ist doch nicht nur ein kaltes Stück Fleisch auf zwei Stelzen ohne Recht auf Mitsprache. Er kann sich wandeln, anpassen, immense Kräfte entfachen, Gleichgesinnte anziehen, mit seiner Umwelt interagieren, immense Verluste kompensieren und sogar Leben erschaffen. Das Potential ist theoretisch grenzenlos. Womit man im echten Leben allerdings rechnen muss, ist, dass dieses Potential manchmal blockiert und wir dann, ohne es zu merken, blind, taub und gefühllos für die Bemerkungen unseres Körpers werden – schlimmstenfalls auch dann, wenn es sich dabei um Einsprüche handelt.

Hä? Der Körper kann Einspruch einlegen?

Geduldsprobe

Festzuhalten ist zunächst, dass Potentialentfaltung (denn dabei waren wir ja eben) Energie verbraucht, genauso wie ein ungesunder Lebensstil, eine niederschmetternde Umgebung, Vorwürfe, ertraglose Konflikte oder Enttäuschungen. Ersteres kann uns allerdings eine gewisse Rendite bescheren; der Rest hinterlässt nur Baustellen. Manche Menschen haben davon mehr als sie bewältigen können, denn das Leben ist eben nicht immer nur rosarot. Auch Heilung bleibt in solchen schwierigen Phasen oft auf der Strecke, sodass unsere Geduld gleich durch mehrere Herausforderungen auf die Probe gestellt wird.

Aus diesem Grund bin ich damals beinahe wöchentlich von Arzt zu Arzt gezogen, habe die buntesten Behandlungen ausprobiert, Spezialisten aufgesucht, mich mit Mikronährstoffen zugeschüttet – alles, um so schnell wie möglich gesund zu werden und weil ich meinem Körper diese Leistung nach diesem großen Vertrauensbruch nicht mehr zutraute und auch nichts davon wissen wollte, dass diese Strategie nur Schlimmeres herbeiführte. Denn mein Körper fühlte sich von meinem Misstrauen nicht angesprochen, sondern tat, was Körper immer tun: heilen. Aber eben auf seine Weise, was mir wiederum ziemlich auf den Zeiger ging, da dadurch alle Therapiemanöver früher oder später gegen die Wand prallten.

Mein Körper muss es allein schaffen

Alles, worauf ich mich eingelassen habe, klang für mich zu Beginn vielversprechend. Doch entweder bewirkte die auserwählte Behandlung nur eine kurzzeitige Verbesserung oder bescherte mir noch mehr Symptome. Warum das so war, konnte ich erst begreifen, nachdem unsere Familie die Stadt mit all ihren Möglichkeiten verlassen hatte und auf’s Dorf zog. Dorthin, wo nicht an jedem zweiten Hauseingang ein goldenes Schild prangt, auf dem Dr. med. stand oder Praxis für XY. Das war das beste, was mir passieren konnte.

Zugegeben, es fühlte sich anfangs an wie ein Entzug, nicht jederzeit zu einem Chiropraktor oder dergleichen gehen zu können. Aber irgendwann blickte ich auf die düstere Bilanz der letzten Jahre und beschloss: Mein Körper muss das jetzt allein schaffen. Anders geht es nicht.

Viele Köche und so

Manchmal frage ich mich, ob mir all das Leid erspart geblieben wäre, wenn ich zumindest für eine gewisse Zeit akzeptiert hätte, dass auch ich nicht immer gleichzeitig Baustellen zuschütten und regenerieren kann. Wenn ich nicht schnurstracks einen Ärztemarathon begonnen und alles auf den Kopf gestellt hätte, als das erste Symptom auftauchte, sondern etwas geduldiger mit meinem Körper gewesen wäre – und eigentlich kenne ich die Antwort. Mein Körper wollte heilen, weil er ja nicht anders konnte. Nur tut so ein Körper das in dem Tempo und auf die Weise, die er für angebracht hält. So ein Körper kennt sich schließlich selbst am allerbesten.

Aber ich war zu ungeduldig, ließ deshalb Behandlungen über mich ergehen, die in diese Heilung einschritten und mitunter sogar neue Baustellen eröffneten. Ich kann nur sagen, es stimmt, was man sagt: Viele Köche verderben den Brei. Oder eben die Gesundheit.

Vielleicht täte mehr Vertrauen uns allen gut. Doch ich kann nur für mich sprechen. Seit mein Körper wieder Mitspracherecht hat, läuft’s bei mir.


Kuklinski, B. & Schemionek, A. (2016). Schwachstelle Genick – Ursachen, Auswirkungen und erfolgreiche Therapie. (15. Auflage), Aurum.
Kuklinski, B. & Schemionek, A. (2020). Mitochondrientherapie – Die Alternative. Aurum.
Kuklinski, B. (2018). Das HWS-Trauma – Ursachen, Diagnose und Therapie. (9. Auflage), Aurum.
Kuklinski, B. (2018). Mitochondrien – Symptome, Diagnose und Therapie. Aurum.

Myhill, S. (2018). Diagnosis and treatment of chronic fatigue syndrome and myalgic encephalitis. It’s mitochondria not hypochondria. Chelsea Green.
Ohmer, U. (2013). Chronische Erkrankungen erfolgreich behandelt mit der Regenerativen Mitochondrien-Medizin. tao.

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