Hattet ihr zuletzt eine Bildgebung, die eventuell ein Statement über eine ominöse „Pufferzone“ im Bereich des kraniozeriaklen Übergangs beinhaltet? Wollt ihr wissen, was damit gemeint ist? Dann bleibt doch kurz und schnappt euch ein paar neue Wissensschnipsel.


Die Häute des Rückenmarks

Das Rückenmark wird von Häuten aus Bindegewebe umhüllt, den sogenannten Meningen. Diese Häute heißen von außen nach innen:

  • Dura mater (harte Hirnhaut)
  • Arachnoidea mater (spinnwebenartige Haut) und
  • Pia mater (zarte Hirnhaut).

Durch diese Schichten entstehen zwei wichtige Hohlräume: ein äußerer Raum, der Epiduralraum, und ein innerer Raum, der Subarachnoidalraum.

Der Epidural- und der Subarachnoidalraum

Der äußere Raum, der Epiduralraum, liegt zwischen der Dura mater und der knöchernen Innenwand des Wirbelkanals. Er enthält Fettgewebe sowie venöse Gefäßgeflechte (Plexus venosi vertebrales), die zur Ableitung des Blutes beitragen. Dieser Raum ist auch klinisch bedeutsam – etwa bei der epiduralen Anästhesie, die zum Beispiel während der Geburt zur Schmerzlinderung eingesetzt wird.

Der innere Raum, der Subarachnoidalraum, befindet sich zwischen der Arachnoidea und der Pia mater und umgibt das Rückenmark direkt. Er ist mit Liquor cerebrospinalis (Nervenwasser) gefüllt. Der Liquor dient als Stoßdämpfer, schützt das zentrale Nervensystem vor mechanischen Einwirkungen und ermöglicht einen gewissen Bewegungsspielraum des Rückenmarks innerhalb des Wirbelkanals. Darüber hinaus erfüllt er wichtige Aufgaben in der Nährstoffversorgung und im Abtransport von Stoffwechselprodukten.

Fun Facts

  • Der gesamte Liquorraum enthält beim Erwachsenen etwa 150 ml Nervenwasser – aber der Körper produziert täglich rund 500 ml davon. Das bedeutet: Der Liquor wird mehrmals täglich komplett erneuert!
  • Bei aufrechter Haltung verändert sich die Verteilung des Liquors durch Schwerkraft – genau das nutzt man bei einem Upright-MRT, um dynamische Engen oder Liquorflussstörungen sichtbar zu machen, die im Liegen oft unauffällig sind.
  • In der Lumbalpunktion wird der Liquor aus dem Subarachnoidalraum im Bereich der Lendenwirbelsäule gewonnen – typischerweise zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbel, wo kein Rückenmark mehr verläuft, um Verletzungen zu vermeiden.

CCI und die Pufferzone

Durch CCI kann das Rückenmark mechanisch bedrängt werden, indem der Liquorraum eingeengt wird. Das passiert besonders häufig von ventral (vorn), unter anderem da die vordere Pufferzone von Natur aus enger ist.
In radiologischen Befunden ist oft die Rede vom sogenannten Myelon, womit nichts anderes als das Rückenmark gemeint ist. Der Abstand zwischen Myelon und Rückenmarkskanal ist entscheidend. Es gilt:

  • > 2 mm –> normal
  • 1-2 mm –> leicht reduziert
  • < 1 mm –> deutlich reduziert (subtotale Ausdrünnung)
  • 0 mm –> Myelonkontakt
Es kann eng werden. (Bild: wirbelwirrwarr)

Aber: Selbst wenn im statischen MRT noch Platz auszumachen ist, kann Bewegung zum Verlust der Pufferzone führen. Im statischen MRT kann man das, obwohl es keine Bewegung darstellt, sogar erkennen!

Zeichen eines Myelonkontakts

Wenn das Myelon durch chronische Mikrobewegungen immer wieder kurz belastet wird, hinterlässt das früher oder später Spuren im Gewebe – auch wenn im Moment der Bildgebung kein Myelonkontakt besteht. Diese Spuren werden als heller Bereich im Rückenmark auf T2-Bildern eines statischen MRTs (T2-Hyperintensität) sichtbar.

T2-Sequenzen sind nämlich besonders empfindlich für:

  • Entzündungen
  • Ödeme
  • degenerative Veränderungen
  • frühe Anzeichen von Gewebeschädigung

Keine Pufferzone: Und nu?

Wenn der Subarachnoidalraum aufgebraucht ist, wird das Rückenmark nicht mehr geschützt. Es ist Bewegungen oder Druckveränderungen gegenüber gefährdet. Die Folgen können sein:

Behinderung des Liquorflusses

  • wird der Liquorfluss behindert, kann es zu einem Liqour-Stau und zu einem Rückstau in die Hirnventrikel kommen (Hohlräume des Gehirns, die Liquor produzieren). Das wiederum kann erhöhten intrakraniellen Druck (Hirndruck; ICP) verursachen. Dazu gibt’s aber bald noch einen gesonderten Beitrag, der etwas umfangreicher wird.

Mechanische Reizung

  • Dauerhafter Druck reizt das Nervengewebe → kann zu Entzündungsreaktionen führen
  • Potenziell progressiv – Schäden nehmen über Zeit zu, auch wenn der Druck konstant bleibt

Myelopathie (Rückenmarksschädigung)

  • Das ist die wichtigste Folge
  • Symptome:
    • Gangstörung, Unsicherheit (früh, da Rückenmark zentral fürs Gleichgewicht)
    • Feinmotorikstörungen (Knöpfe, Schreiben)
    • Schwäche in Armen/Beinen
    • Spastik
    • Blasen-/Darmstörungen (bei fortgeschrittener Schädigung)
    • Pathologische Reflexe (Babinski, Hyperreflexie)

Syrinx-Bildung (Syringomyelie)

  • Bei längerem oder pulsatil unterbrochenem Liquorfluss kann sich im Rückenmark selbst eine Hohlraumbildung mit Liquorfüllung entwickeln
  • Führt zu: dissoziierten Empfindungsstörungen (z. B. Schmerzempfinden gestört, Berührung normal)

Ischämie (Durchblutungsstörungen)

  • Anhaltender Druck auf das Rückenmark kann Gefäße komprimieren
  • Besonders kritisch: die Arteria spinalis anterior, Hauptversorgung des vorderen Rückenmarks
  • Folge: Infarkte im Rückenmark (sogenannte Rückenmarksinfarkte)

Zentrale Sensibilisierungsprozesse

  • Chronische mechanische Reize können das zentrale Nervensystem „hochfahren“ – Folge: Schmerzverarbeitung verändert sich, selbst leichte Reize können starke Beschwerden auslösen (ähnlich wie bei Fibromyalgie, nur hier mit mechanischem Trigger)

Kann das Rückenmark nicht ausweichen?

Nun könnte man denken: „Das Rückenmark ist doch umgeben von Flüssigkeit. Dann kann es doch prima ausweichen, sobald sich etwas nähert.“ Aber so funktioniert es nicht. Denn das Rückenmark ist eng mit der Pia mater verbunden, also mit der innersten Hirn- und Rückenmarkshaut, die direkt dem Rückenmark aufliegt. Sie ist durch sogenannte Dentikulat-Bänder (Zahnfortsatzbänder) seitlich am Dura-Schlauch verankert und über das Filum terminale untem im Kreuzbein befestigt.

Das heißt: Das Rückenmark „schwimmt“ nicht einfach frei im Liquor, sondern ist durch diese Bänder und Strukturen mechanisch fixiert und geführt. Es kann sich zwar ein bisschen bewegen, z. B. bei Atmung, Bewegung oder Husten – aber es hat nicht unbegrenzt Spielraum, um etwa einer Einengung auszuweichen.

Kann der Subarachnoidalraum auch wieder „wachsen“?

Angenommen CCI ist die Ursache für die Schmälerung des Subarachnoidalraums. Dann liegt die Lösung auf der Hand: CCI muss in Angriff genommen werden, um dem Rückenmark mehr Spielraum zu verschaffen. Wenn eine Operation noch in weiter Ferne liegt, zum Beispiel durch:

Stabilisierung

  • Mit Hilfe eines Soft Collars (Halskrause) oder eines gut angepasstes Rigid Collars kann das Myelon entlastet werden –> aber bitte nicht dauerhaft, um die Muskulatur nicht verkümmern zu lassen, sondern nur bei Belastung (Auto, Aufrechtsein, „Crash Days“)
  • Achte auf gute Passform – sonst drohen neue Probleme

Aufrechte Belastung reduzieren

  • Liegepausen tagsüber → weniger Zug auf das Rückenmark
  • Kein durchgehendes Sitzen oder Stehen ohne Pause
  • Arbeitsplatz ergonomisch anpassen – Bildschirmhöhe, Nackenschonung
  • ggf. Schräglagerung statt flaches Liegen, wenn du Symptome durch Hirndruck hast

Training

  • Keine klassischen „Nackendehnungen“ oder „HWS-Mobilisierung“!
  • Stattdessen: nerven- und gelenkschonendes Training unter Anleitung:

Liquorfluss fördern

  • Sanfte Bewegungen (z. B. wiegen statt ruckartig bewegen)
  • Tiefe Bauchatmung, Zwerchfellaktivierung → wirkt wie eine Pumpe für Liquor
  • Manuelle Therapie/craniosacrale Techniken (nur bei erfahrenen Therapeuten)

Sucht euch Hilfe

Merkt euch am besten: Myelonkontakt ≠ harmlos.
Schon leichter Kontakt kann bei sensiblen Patienten oder bei Bewegung zu funktionellen Ausfällen führen, auch ohne sichtbare Myelopathie im MRT! Begebt euch also in jedem Fall in die Obhut eines erfahrenen Arztes.


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