Wir sind schon einen Schritt weiter, behaupte ich. Denn eine Vielzahl schräger Symptome, insbesondere wenn sie durch Kopferschütterungen und -bewegungen beeinflusst werden, öffnet bei immer mehr Medizinern den Gedankengang, der zu instabilen Kopfgelenken führt. „Gehen Sie mal in ein Upright-MRT“, kommt manchmal schon wie aus der Pistole geschossen – und darüber könnten wir uns eigentlich freuen. Inzwischen spricht sich jedoch herum: Das Upright-MRT liefert nur schlechte Bilder und es gibt scheinbar bessere, zuverlässigere Diagnosemöglichkeiten. Wozu dann also noch so viel Geld in die Hand nehmen?


Das Upright-MRT: Die Antwort auf komplexe Symptome

Ist das nicht toll? Außergewöhnliche und schwer vereinbare Symptome, hinter denen sich eine Kopfgelenksinstabilität verbirgt, werden neuerdings nicht mehr automatisch als Fall für den Psychiater betrachtet. Noch oft genug, schon klar. Aber trotzdem: Durch all die Aufklärungsarbeit, die ihr da draußen leistet – auch indem ihr meine Aufklärungsarbeit unterstützt – wissen immer mehr Ärzte, was CCI ist und wie man es diagnostizieren kann. Alle im Chor: Am besten lässt sich eine Kopfgelenksinstabilität mittels bewegungsbasierter Bildgebungsverfahren diagnostizieren, da sich eine Kopfgelenksinstabilität, genau wie ihre Symptome, oft nur in alltäglichen Positionen und Bewegungen zeigt. Dazu zählen Röntgenaufnahmen in Flexion und Extension, das CT in verschiedenen Positionen, darüber hinaus gibt es das Digital Motion X-Ray (DMX) und das Upright-MRT.
Das DMX ist besonders relevant, da es eine Echtzeit-Videoaufnahme der Wirbelsäulenbewegung liefert (hier ein Video von und mit Dr. Katz, Colorado, USA). Es ist also – wie sagt man? – der letzte Shit.
In Deutschland sucht man allerdings vergeblich danach, deshalb sind insbesondere Upright-MRTs sehr gefragt.

Zur Erinnerung: Ein Upright-MRT ist eine besondere Variante des herkömmlichen MRTs. Patienten werden nicht im Liegen untersucht, sondern im Sitzen und somit unter alltagsentsprechender Schwerkrafteinwirkung. Das hat den Vorteil, dass Beschwerden, die insbesondere in aufrechter Körperhaltung aktiv werden (wie bei CCI), unter adäquaten Bedingungen provoziert, anstatt – wie bei einem MRT im Liegen – kaschiert werden. Eine weitere Besonderheit dieser Methode ergibt sich daraus, dass Patienten verschiedene Kopfhaltungen einnehmen müssen, was dem Diagnostiker Aufschluss über mögliche Funktionsstörungen gibt und darüber, welche Ursachen sich dahinter verbergen.

Zweifel am Upright-MRT

Soweit so gut. Doch innerhalb der CCI-Community rührt sich mittlerweile große Skepsis. Folgende Gedanken spielen dabei eine Rolle:

  • Sind Upright-MRT-Bilder aussagekräftig? Die liefern schließlich keine gute Bildqualität.
  • Gibt es überhaupt verlässliche Referenzwerte?
  • Wem muss man diese Upright-Bilder eigentlich unter die Nase halten, um adäquate Hilfe zu bekommen?
  • Wenn jemand schwer betroffen ist und mit den Therapieangeboten in Deutschland nicht mehr weiterkommt und Hilfe im Ausland sucht, zum Beispiel bei Dr. Gilete oder Dr. Centeno: Wieso können diese Experten oft nichts mit den Upright-MRT-Bildern anfangen? Und überall sonst werden diese Bilder auch nicht anerkannt. Also wozu das Ganze eigentlich?
  • Sind Upright-MRTs vielleicht nur reine Geldmache?
  • Gibt es Alternativen, die Experten im Ausland als gute Beurteilungsgrundlage dienen können?
  • Und überhaupt: Eine Kopfgelenksinstabilität ist doch so selten. Wieso haben das auf einmal alle, die in Upright-Praxen gehen? Ist doch unglaubwürdig.

Hab ich alles? Wenn ja, würde ich sagen, es läuft wie gehabt: Rein in die Materie!

Die Aussagekraft von Upright-MRTs

Schauen wir uns doch erstmal an, was Upright-MRTs theoretisch alles können. Ich schreibe „theoretisch“, weil’s natürlich wie immer drauf ankommt. Auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter in den Upright-Praxen zum Beispiel, aber natürlich auch auf das Durchhaltevermögen der Patienten, die während der gesamten Bildaufnahmeprozedur eine ganze Weile ziemlich ungewöhnliche Positionen beibehalten müssen (denn Upright-MRTs arbeiten nun mal etwas langsamer als die MRTs, in denen man liegt). Aber nehmen wir mal an, diese und andere Fehlerquellen gibt es nicht. Dann gilt unterm Strich, dass Upright-MRTs, verglichen mit statischen MRT-, CT- oder Röntgenuntersuchungen, einiges ein bisschen besser können (Johansson, 2006; Gupta et al., 2007).

Vorteile

  • Darstellung von Bandscheibenvorfällen, Spinalkanalstenosen und Skoliosen, die in der belasteten Position deutlicher sichtbar werden.
  • Erkennung von Instabilitäten der Wirbelsäule, die im Liegen möglicherweise nicht erkennbar ist.
  • Gewichtsbelastete Untersuchung der Kiefergelenke, Knie und Hüfte ermöglicht eine genauere Beurteilung von Funktionseinschränkungen.
  • Chiari-Malformation kann im Upright-MRT besser erkannt werden, da die Schwerkraft die Verlagerung des Kleinhirns verstärkt.
  • Intrakranielle Hypotonie (niedriger Liquordruck) kann durch eine positionsabhängige Untersuchung präziser diagnostiziert werden.
  • C1- oder C2-Rotation in Flexion und Extension: Upright-MRT kann solche Fehlstellungen sichtbar machen, insbesondere wenn C2 auf einer Seite aus der Position verschoben ist.
Wir verbringen die meiste Zeit aufrecht. Unsere Symptome auch. (Bild: wirbelwirrwarr)

Dazu noch ein Video von Uli Gottfried. Und da ich nicht einfach irgendwas behaupte, ohne euch dabei auch noch eine ganze Menge Quellen um die Ohren zu hauen:

„Was willst du damit?“: Ein paar Studien zur Wichtigkeit von Upright-MRTs

Deutlich werden all diese Vorteile in immer wieder zum Vorschein kommenden Fallstudien – wie jene von Suziki et al. (2008) in Bezug auf die Darstellung einer atlanto-axialen Instabilität (AAI) – in denen durch ein Upright-MRT Instabilitäten und Rückenmarkskompressionen sichtbar wurden, nicht aber durch ein herkömmliches MRT im Liegen. Die aufrechte Position wird demnach immer wieder als ein entscheidender Faktor bei der Diagnostik von Kopfgelenksinstabilitäten angesehen.

Eine Studie von Mayer und Kollegen (2013) beschreibt genau dieses Problem: Konventionelle Röntgenuntersuchungen resultieren in einer hohe Rate an falsch-negativen Befunden bei versteckten Verletzungen von Bandscheiben und Bändern – weil bildgebende Verfahren zur Beurteilung funktioneller Störungen der Wirbelsäule immer wieder in der liegenden Position angewendet werden.

Dass die unterschiedlichen Wirbelausrichtungen zwischen Liegen und Stehen bedeutsam sind, wurde in einer Studie von Oyekan und Kollegen (2023) demonstriert. Darin kommen die Autoren zu folgendem Schluss: „Chirurgen sollten sich der Unterschiede zwischen den Bildgebungen in Rückenlage und im Stehen bewusst sein – und welche Auswirkungen dies auf das Behandlungsergebnis haben kann.“

Redebrandt und Kollegen (2022) verglichen klinische Untersuchungsergebnisse von Patienten mit Nackenschmerzen und daraus resultierenden Armschmerzen mit Ergebnissen der MRT. Die Übereinstimmung zwischen klinischer Diagnose und MRT lag nur bei 31 %. Die Diagnosen waren oft unsicher. Eine weitere Studie zeigte jedoch, dass ein Upright-MRT in drei Positionen (Flexion, Extension und Neutral) die diagnostische Genauigkeit auf ein moderat bis exzellentes Niveau erhöhte (Nicholson et al., 2023).

Freeman und andere (2010) fanden an symptomatischen Patienten mit Schleudertrauma – was auch die Schädelbasis betrifft – deutliche Unterschiede, wie stark das Kleinhirn in den Spinalkanal einsinkt, je nachdem ob sie in Rückenlage oder aufrecht untersucht wurden. Diese Veränderungen waren bei asymptomatischen Kontrollpersonen nicht vorhanden. Das zeigt, dass dynamische Bildgebung bei der CCI entscheidend ist.

Tatsächlich wurden Weichteilverletzungen im Bereich der oberen Halswirbelsäule in vielen Studien etwa 3- bis 5-mal häufiger festgestellt, wenn die Bildgebung im aufrechten Zustand durchgeführt wurde – insbesondere bei Aufnahmen in Flexions- und Extensionshaltungen – im Vergleich zur Bildgebung in Rückenlage (e.g. Michelini et al., 2018; Gilbert, et al., 2006; Smith & Dworkin, 2015).

Nachteile

Wo es Vorteile gibt, gibt es Nachteile:

  • Zum Beispiel lässt die offene Bauweise des Upright-MRTs nur niedrige Magnetfeldstärken zu, sodass die Bildauflösung verglichen mit ursprünglichen MRTs viel geringer ist – was weniger Detailgenauigkeit bedeutet. Wenn es also darum geht, Bänder in möglichst hoher Detailgenauigkeit darzustellen, braucht es einen höheren Magnetfeldwert. Und den bekommt man eher in herkömmlichen, liegenden MRTs.
  • Leider wird das Potential von Upright-MRTs oft unzureichend ausgeschöpft. Denn oft werden die Kopfhaltungen gar nicht abgebildet, die Beschwerden auslösen und/oder das genaue Ausmaß der CCI erkennbar machen. Dr. Centeno kritisiert beispielsweise, dass bei europäischen Upright MRTs häufig keine Flexion und Extension abgebildet wird (laut Olaf Posdzech nur in Hannover?).
  • Laut Olaf Posdzech wird der Kopf oft nicht weit genug zur Seite geführt, sodass Verschiebungen in den Kopfgelenken nicht sichtbar werden, obwohl andere sorgfältig durchgeführte Aufnahmen beim selben Patienten aber Auffälligkeiten zeigen.
  • Herr Posdzech merkt außerdem an: „Auch die Diagnosestellung ist meist so vorsichtig und zurückhaltend in langen Schachtelsätzen formuliert, dass die Schwere des Schadens für die oft ahnungslosen behandelnden Ärzte daraus nicht ersichtlich ist.“ Und das ist ein wichtiger Punkt. Wie sollen Ärzte, die nicht in der Materie stecken, wissen, womit sie es zu tun haben, wenn niemand sich die Mühe macht, es nachvollziehbar darzustellen? Ein Upright-MRT kostet so viel Geld (und oft muss das aus eigener Tasche berappelt werden) – da darf man doch erwarten, einen aussagekräftigen Bericht zu bekommen.
  • Kjetil Larsen äußert sich in seinem Artikel kritisch über den Einsatz von Upright-MRTs bei der Diagnose von AAI und CCI. Er warnt davor, dass viele Patienten trotz normaler oder nahezu normaler Upright-MRT-Befunde mit AAI oder CCI diagnostiziert werden, oft ohne klinische Symptome oder klare Auslöser, die eine solche Diagnose rechtfertigen würden.
  • Eine weiterer wichtiger Aspekt, der bedacht werden sollte: Der Cerebrospinalfluss (CSF). Denn der spielt eine entscheidende Rolle im glymphatischen System, das für den Nährstofftransport, die Homöostase und die Abfallentsorgung im Gehirn verantwortlich ist. Die Körperhaltung beeinflusst den CSF-Fluss erheblich, das heißt: Eine liegende Position (supine) fördert eine stärkere Liquorzirkulation als die aufrechte Position. Da Upright-MRTs den CSF-Fluss in aufrechter Position messen, könnten sie eine veränderte Liquor-Dynamik unterschätzen. Bei hochauflösenden MRTs in liegender Position ergibt sich hingegen ein vollständigeres Bild der CSF-Verhältnisse (Muccio et al., 2021).
  • Und nicht zuletzt mangelt es manchmal einfach an der nötigen Erfahrung bei der Auswertung der Bilder (hier ein Beispiel von Dr. Centeno).

Ich würde sagen, da hält sich die Waage. Doch neben den technischen Möglichkeiten und Einschränkungen eines Upright-MRTs, gibt es natürlich auch theoretische Aspekte, die in die Nutzenanalyse einfließen müssen. Welche Messwerte und damit zusammenhängend Referenzwerte kennen wir denn überhaupt für die Beurteilung einer CCI, die sich mittels Upright-MRT ermitteln lassen?

Gibt es Referenzwerte?

Messwerte für CCI

Wusstest ihr, dass es etwa 20 verschiedene Messwerte für die Kopfgelenke gibt und dass anfangs unklar war, welche für die CCI-Diagnose relevant sind? Dr. Henderson wies 2018 darauf hin, dass sich Experten 2013 auf einem Konsens-Treffen in San Francisco darauf geeinigt haben, dass CCI am besten durch folgende Paramenter diagnostiziert werden kann:

  • CXA
  • Grabb-Oakes
  • Harris measurement (BAI, BDI)

Schaut gern nochmal in die Übersicht über wichtige Maße bei der CCI-Diagnostik, bevor ihr weiterlest.

Zu diesem Treffen in San Francisco konnte ich leider nichts finden, aber CCI-Parameter basieren letztendlich auf einer Kombination wissenschaftlicher Arbeiten, die man leicht nachschlagen kann. Wie zum Beispiel die Studie von Grabb, Mapstone und Oakes von 1999. Darin wurde die berühmte pB-C2-Messung eingeführt, die heute einer der wichtigsten Parameter bei der Beurteilung von ventraler Hirnstammkompression ist. Untersucht wurden 40 Patienten, alle mit Chiari I-Malformation. Die zentrale Frage lautete: Wie stark ist der Hirnstamm vorne (ventral) eingeengt? Und wie misst man das zuverlässig? Heraus kam der Grabb-Oakes-Wert, der neben CXA, BAI und translationaler BAI auch zu Dr. Hendersons Hauptmesswerten für die Beurteilung einer CCI zählt.

Das klingt doch überschaubar. Übrigens, kleiner Fun Fact:

Ergebnisse einer kleinen CCI-Umfrage von und für Betroffene, bei der der es darum ging, Muster in Symptomen und kraniozervikalen Messwerten bei ME/CFS-Patienten mit und ohne CCI-Diagnose zu analysieren, zeigen:

  • Bei 46% der ME/CFS-Patienten mit CCI lässt sich oft ein pathologischer translationaler BAI erkennen.
  • Danach folgt ein pathologischer CXA (38 %), Grabb-Oakes (16 %) und BAI (9 %).

Henderson betont jedoch:
„Messwerte sind nur ein Teil des Ganzen. Ein pathologischer Wert allein ist noch keine Diagnose. Man braucht ein vollständiges Bild.“

Klingt plausibel. Aber ab wann ist ein Messwert eigentlich pathologisch?

Was ist denn pathologisch?

Ich weiß nicht, ob ihr’s wusstet, aber die Interpretation der kraniozervikalen Messwerte für Upright-MRTs ist gar nicht mal so eindeutig. Denn wenn ihr nachschaut (e.g. Rojas et al., 2007; Joaquim et al., 2015; Bouchard et al., 2019): Die Normwerte in Neutralposition werden in der Literatur unterschiedlich angegeben, was zu unterschiedlichen Grenzwerten für die Definition einer CCI führt.

Demnach herrscht keine Einigkeit über die Bedeutung der mittels Upright-MRT gefundenen Messergebnisse. Es stellt sich die Frage: Welchen Nutzen hat ein diagnostisches Messinstrument, wenn unklar ist, was eigentlich „normal“ und was „pathologisch“ ist?

Die Antwort ist naheliegend: Bislang wurden die bekannten Referenzwerte für die Beurteilung einer CCI aus kleineren Studien oder Expertenmeinungen abgeleitet – die sich zum Beispiel auf konventionelle Röntgenaufnahmen, CT-Scans oder dynamische Funktionsaufnahmen beziehen. Viele dieser Werte stammen aus Untersuchungen gesunder Erwachsener oder spezifischer Patientengruppen, beispielsweise Menschen mit Down-Syndrom (wie bei Bouchard et al., 2019). Andere Normbereiche ergaben sich historisch durch Studien, wie die von Harris et al. (1994), wo BDI und BAI als wichtige Messwerte für die Beurteilung von Instabilitäten an den Kopfgelenken festgelegt wurden – allerdings basierend auf älteren Bildgebungsmethoden, die technisch mit heutigen Upright-MRTs nicht vergleichbar sind.

Und eben deshalb wird fleißig weitergeforscht.

Auf der Suche nach Referenzwerten

Eine Studie von Nicholson und Kollegen (2023) hat nun erstmals ein standardisiertes Messprotokoll für Upright-MRT-Untersuchungen entwickelt und wichtige Referenzwerte ermittelt – und zwar für drei verschiedenen Kopfpositionen: neutral (normale Haltung), maximale Flexion (Kopf nach vorne geneigt), maximale Extension (Kopf nach hinten geneigt).

Mit diesen Aufnahmen wurden vier wichtige diagnostische Messgrößen für CCI analysiert:

  • Basion-Axial Intervall (BAI) – Zeigt an, wie weit sich der Kopf relativ zur Wirbelsäule bewegt
  • Basion-Axial Winkel (BAA) – Gibt den Winkel zwischen Schädel und oberster Halswirbelstruktur an.
  • Basion-Dens Intervall (BDI) – Misst den Abstand zwischen Schädelbasis und der Spitze des Axis (C2).
  • Grabb-Oakes Linie (GOL) – Eine Linie, die bestimmt, ob der Hirnstamm eingeengt wird.

Hier die vorläufigen Referenzwerte aus Tabelle 1 der Studie, basierend auf dem Mittelwert ± 2 Standardabweichungen:

MessparameterNeutralFlexionExtension
Basion-axial interval (BAI) [mm]0.5 – 8.9 mm0.7 – 10.3 mm-0.6 – 7.0 mm
Basion-axial angle (BAA) [°]128.0° – 169.2°126.2° – 165.4°139.2° – 183.6°
Basion-dens interval (BDI) [mm]2.0 – 8.0 mm1.8 – 8.2 mm2.4 – 8.8 mm
Grabb-Oakes line (GOL) [mm]4.2 – 10.2 mm3.8 – 10.6 mm2.7 – 9.1 mm

Diese Werte geben eine erste Orientierung für normale Messbereiche, sind aber noch nicht als offizielle Cut-off-Werte für CCI validiert.
Und man muss natürlich bedenken: Die Strichprobe war recht mickrig (50 Personen).

Auch Gordillo und Kollegen (2024) gingen auf die Suche nach Referenzwerten und untersuchten zu diesem Zweck 72 gesunde Menschen, die keine CCI haben. Das Ziel bestand darin, zu zeigen, wie gesunde HWS-Messungen normalerweise aussehen und wie stark sie sich bewegen dürfen, ohne krankhaft zu sein. Bestimmt wurden in Flexion, Extension und neutraler Haltung:

  • CXA
  • Grabb-Oakes-Messung (pB-C2)
  • BDI

Blöd: Ich warte noch, dass ich Zugriff zur Studie erhalte.

Bis dahin schauen wir doch mal, was unsere hochgeschätzten CCI-Experten zum Nutzen von Upright-MRTs zu sagen haben. Vorher aber noch kurz ein Zwischenstand:

Wir kennen Messwerte und Grenzen dieser Werte, die sich mit der Zeit als mehr oder weniger zuverlässig für die Aufdeckung einer CCI erwiesen haben. Upright-MRTs können theoretisch vieler dieser Messwerte abbilden, doch wir haben auch gesehen: Es gibt Fehlerquellen. Wie sieht also die Praxis aus? Ich würde sagen, das können uns nur unsere hochgeschätzten CCI-Experten beantworten (und bitte nicht traurig sein, wenn euer Lieblingsexperte nicht mit dabei ist):

  • Dr. Fraser Henderson: US-amerikanischer Neurochirurg, spezialisiert auf kraniozervikale Instabilität, Chiari-Malformationen und komplexe spinale Fehlbildungen. Führt operative Stabilisationen durch.
  • Dr. Paolo Bolognese: Neurochirurg aus den USA, Experte für Chiari-Malformation, kraniozervikale Instabilität und Ehlers-Danlos-Syndrom. Bekannt für operative Behandlungen am kraniozervikalen Übergang.
  • Dr. Vicenç Gilete: Neurochirurg aus Barcelona, spezialisiert auf die Diagnose und Behandlung von kraniozervikaler Instabilität, EDS und Chiari-Malformation. Nutzt Upright-MRTs zur Diagnostik.
  • Dr. Scott Rosa: US-amerikanischer Chiropraktiker, spezialisiert auf Atlas-Orthogonal-Korrekturen bei CCI, Chiari und neurovaskulären Beschwerden. Arbeitet mit Upright-MRTs zur Kontrolle.
  • Dr. Chris Centeno: Schmerzmediziner aus den USA, Pionier in der Stammzellentherapie und regenerativen Medizin. Bietet minimal-invasive Behandlungen auch bei instabiler Halswirbelsäule an.
  • Dr. Andrew Saperstein: US-amerikanischer interventioneller Schmerztherapeut, spezialisiert auf Injektionen bei kraniozervikaler Instabilität und chronischen Schmerzen.
  • Dr. Ross Hauser: Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin (USA). Spezialisiert auf Prolotherapie und regenerative Injektionstherapien bei CCI, instabilen Bändern und Bindegewebsschwäche.
  • Dr. Petra Klinge: Deutsch-amerikanische Neurochirurgin. Sie ist Professorin für Neurochirurgie, spezialisiert auf Erkrankungen des kraniozervikalen Übergangs, Chiari-Malformationen, CCI, Syringomyelie und Tethered Cord Syndrom
  • Kjetil Larsen: Norwegischer Spezialist für Schmerzrehabilitation und unabhängiger Forscher.

Was sagen die Experten zu Upright-MRTs?

Was sagt Dr. Henderson?

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.

Dr. Henderson hält Upright-MRTs mit vollem Bewegungsspektrum für eine aussagekräftige CCI-Diagnose für entscheidend. In einem älteren Vortrag brachte er dazu das Beispiel eines Patienten, der im supinen MRT einen CXA von 141° (normal) zeigte, aber im Upright-MRT nur 133° (pathologisch).

Hendersons Statement zu bildgebenden Verfahren im Allgemeinen:
„Die radiologischen Befunde dürfen nicht die Diagnose diktieren. Die Anamnese und die neurologische Untersuchung sind entscheidend.“

Was sagt Dr. Bolognese?

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
Dr. Bolognese über CCI.

Dr. Bolognese bevorzugt MRTs im Liegen, da sie eine höhere Bildauflösung als Upright-MRTs haben. In Kombination mit einem CT-Myelogramm könne dann sogar auf ein Upright-MRT verzichtet werden –
die ohnehin zu Bewegungsunschärfe neigen, da der Kopf nicht fixiert ist. Und er spricht noch einen Nachteil an: Flexion und Extension sind bei Upright-MRTs nicht standardisiert.

Große Bedeutung hat bei ihm der Traktionstest: Wenn die Symptome unter Traktion besser werden, spricht dies für CCI.

In einem viel jüngeren Video wird er nochmal deutlich und sagt:
„Es geht nicht nur um das Bild, okay? Es geht nicht nur um das MRT. Im MRT kann man falsch liegen, weil man ein MRT haben kann, das schrecklich aussieht, aber der Patient fühlt sich gut – weil sein Gehirn damit umgehen kann. Oder das MRT sieht unauffällig aus, aber der Patient hat schwere Bänderschäden, okay? Deshalb muss es eine Kombination von Dingen sein, um eine verlässliche Diagnose zu stellen.“

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
„Es geht nicht nur um das Bild, okay?“

Was sagt Dr. Centeno?

Dr. Centeno hat im Laufe der Zeit seine eigenen diagnostischen und therapeutischen Kriterien entwickelt. Diese unterscheiden sich zum Teil von denen anderer Experten, wie Dr. Bolognese oder Dr. Henderson – was wohl daran liegt, dass sein Behandlungskonzept in die regenerative Medizin einzuordnen ist. Besonders Patienten aus Europa gibt er oft spezifische Röntgenprotokolle an die Hand, mit deren Hilfe Bilder erzeugt werden können, die dem DMX-Output ähneln.
Upright-MRTs hält Dr. Centeno für nützlich. Er macht dabei aber auf folgende Punkte aufmerksam:

  • Ein C1-C2-Überhang (Atlantoaxiale Instabilität; mehr als 3mm sind auffällig), also eine Verletzung der Alar- oder Akzessorischen Bänder, lässt sich mittels Upright-MRT nicht zuverlässig erfassen – dafür aber eine Veränderungen in der Symmetrie des Dens innerhalb des Atlas, die wiederum mit anderen Befunden kombiniert werden kann.
  • In Flexion und Extension kann ein Upright-MRT außerdem zeigen, ob sich der Dens von C2 nach hinten verlagert, was auf eine Schwäche des Transversbandes hinweisen kann. Wenn sich der Grabb-Oakes-Wert zwischen Flexion und Extension um mehr als 2–3 mm verändert, kann dies ein Hinweis auf CCI sein.
  • Centenos Problem mit Upright-MRTs: Oft werden keine Flexions- und Extensionsmessungen durchgeführt, besonders bei seinen europäischen Patienten.
Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
Dr. Centeno beleuchtet die Vor- und Nachteile der Upright-MRT.

Was sagt Dr. Klinge?

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
Dr. Klinge kommt aus Deutschland.

Dr. Klinge hält das Upright-MRT für wesentlich, um abnormale Winkel und Positionen unter Schwerkraftbelastung aufzudecken. Sie sagt: „With the laxity of tissues, or anything going on at the skull base, the upright MRI can show the real deal.“ Sie betont, dass derzeitige Diagnosekriterien oft auf statischen MRT- oder CT-Bildern basieren und deshalb dynamische Instabilitäten – wie sie bei EDS auftreten – nicht adäquat widerspiegeln.

Was sagt Dr. Rosa?

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
Wenn sich zwei Größen über etwas Unbegreifliches unterhalten.

Laut Dr. Rosa ist keine einzelne Bildgebung perfekt. Er fasst zusammen:

VerfahrenVorteileNachteile
Upright-MRT✔ Zeigt die Bewegung der Wirbelsäule unter natürlicher Schwerkraft. ✔ Besonders nützlich bei Hirndruckveränderungen und zur Darstellung von Instabilitäten.❌ Geringere Bildauflösung im Vergleich zu 3T-MRTs.
3 Tesla MRT (Rückenlage)✔ Höchste Bildqualität für die Untersuchung von Bändern, Hirnstamm und Rückenmark. ✔ Sehr gut zur Erkennung von Entzündungen, Chiari-Malformationen und Anzeichen erhöhten Hirndrucks.❌ Dynamische Instabilitäten bleiben oft unentdeckt, da die Untersuchung in Rückenlage erfolgt.
DMX (Dynamisches Röntgen)✔ Echtzeitdarstellung der Wirbelbewegung. ✔ Besonders hilfreich bei der Beurteilung von C1-C2-Überbeweglichkeit.❌ Keine Darstellung von Weichteilen wie Bändern oder Nerven möglich.
CT-Rotation-Scans✔ Gut geeignet zur Diagnose von Atlantoaxialer Instabilität (AAI). ✔ Zeigt Rotationsveränderungen zwischen C1 und C2.❌ Keine Informationen über Weichteile oder Hirndruck.

Dr. Rosa empfiehlt also – und das sollten wir uns alle mal auf der Zunge zergehen lassen – eine Kombination aus Upright-MRT, MRT und DMX. Denn nochmal:

KEINE.
EINZELNE.
BILDGEBUNG.
IST.
PERFEKT.

Was sagt Kjetil Larsen?

Mitunter sind einzelne Bildgebungen sogar potentiell riskant, sagt zum Beispiel Kjetil Larsen. Ein Upright-MRT hält er nur dann für sinnvoll, wenn:

  • es eine hoher Qualität der Bilder erzielen kann
  • es eine klare klinische Fragestellung vorliegt (man sollte also nicht ins Blaue diagnostizieren)
  • die Befunde in Zusammenhang mit den klinischen Symptomen und Triggern des Patienten gebracht werden

Fehlen diese Voraussetzungen, hält Larsen den Einsatz von Upright-MRTs für irreführend und riskant. Einen umfassenden Beitrag zu seiner Perspektive findet ihr hier.

Was sagt Dr. Gilete?

Dr. Gilete hält das Upright MRT für das entscheidende Verfahren, um eine Instabilität im Bereich des Übergangs zwischen Schädel und Halswirbelsäule sowie zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel zu diagnostizieren. Er sagt:
„Manchmal sehen wir in den normalen (liegenden) MRTs keine offensichtlichen Veränderungen. Aber in aufrechter Position, wenn das Gewicht des Kopfes wirklich auf der Halswirbelsäule lastet, zeigen sich signifikante Unterschiede. Die Instabilitäten werden deutlicher sichtbar.“

Wie aber schon deutlich wurde, hebt auch er den Einsatz mehrerer Bildgebungsverfahren hervor:

„Wir brauchen manchmal zusätzlich zum Upright MRT auch einen CT-Scan oder eine digitale Bewegungsröntgenaufnahme (DMX), um Subluxationen unterhalb von C2 besser beurteilen zu können.“

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
Dr. Gilete scheint kamerascheu zu sein, denn man findet ihn nur schwer in Videos.

Hier übrigens ein Video, das die Untersuchung eine CCI-Patientin bei Dr. Gilete zeigt – inklusive Untersuchungsbericht.

Was sagt Dr. Saperstein?

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.
Laut Dr. Saperstein ist das Bildgebungsverfahren am Anfang gar nicht mal so wichtig.

Laut Dr. Saperstein weiß eigentlich niemand so genau, welches Bildgebungsverfahren am besten geeignet ist, um eine CCI zu erkennen. Er erklärt: „Eine Zeit lang waren Upright- oder Flexions-/Extensions-MRTs eine sehr gängige und beliebte Methode, um sich das Ganze anzusehen. Es gibt immer noch Ärzte, zum Beispiel Dr. Henderson, einer der bekannten CCI-Chirurgen, der diese MRTs anschaut. Im Gegensatz dazu verlässt sich Dr. Bolognese, ein anderer bekannter CCI-Chirurg, kaum auf Flexions-/Extensions-Aufnahmen. Er ist der Meinung, dass ein hochqualitatives liegendes MRT […] viel aussagekräftiger ist.“

Auch Dr. Saperstein hält ein hochauflösendes 3-Tesla-MRT der Halswirbelsäule für die bessere Wahl – allerdings nur für Probleme, die einen chirurgischen Eingriff erfordern. Aber: Die chirurgische Weggabelung sollte bei CCI keinesfalls die erste Wahl sein. Erstmal sollten konservative Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Dass Betroffene aber trotzdem schon früh in den Dunstkreis eines Chirurgen geraten, liegt Saperstein zufolge daran, dass oft niemand sonst in der Lage ist, eine CCI-Diagnose zu stellen. Für den entschleunigten Gang der Dinge (also erstmal konservative Möglichkeiten nutzen) sei die Art des Bildes am Anfang aber gar nicht so entscheidend.

Was sagt Dr. Hauser?

Das kann ich kurz halten. Dr. Hauser hält Upright-MRTs für sehr wichtig – siehe oben. Ich habe nämlich viele der Studien, die die Vorzüge von Upright-MRTs demonstrieren, frecherweise von seiner Seite stibitzt – und angesehen und ergänzt (so viel Zeit muss sein).

Der Knackpunkt

Ich glaube, bis hierhin ist klar geworden, wo der Knackpunkt liegt. Upright-MRTs sind wertvolle Werkzeuge und werden von vielen Experten nicht nur geschätzt, sondern auch zum Einsatz gebracht, um eine CCI aufzudecken. Doch es gibt Fehlerquellen und andere Faktoren, die beeinflussen, ob damit eine verlässliche Einschätzung erfolgen kann.

1.) Es mangelt an aktuellen und einheitlichen Standardmesswerten, die uns möglichst sicher sagen können, ob eine CCI vorliegt.

2.) Die Vorstellung über das nötige Diagnostikprozedere seitens derer, die Upright-MRTs in Anspruch nehmen und eine sichere Beurteilung erwarten, ist zudem verzerrt und sehr eindimensional. Oft heißt es: „Welches Bildgebungsverfahren macht die besten Bilder?“ Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Bildqualität nur ein Differenzierungsmerkmal von vielen anderen ist, denen ebenfalls Rechnung getragen werden sollte. An dieser Stelle wiederhole ich mich abermals, aber mit Freude: Keine einzelne Bildgebung ist perfekt. Es braucht also genaugenommen sowieso immer mehr als nur DIE Bildgebung, wenn man herausfinden möchte, ob sich hinter bestimmten Beschwerden eine CCI verbirgt. Mittels Upright-MRT lassen sich zwar oft Fälle identifizieren, die im liegenden MRT verborgen geblieben wären. Es kann aber auch sein, dass mittels Upright-MRT die Schwere einer Instabilität immer noch unterschätzt wird. In Selbsthilfegruppen sorgt besonders dieser Umstand oft für Tumult – dahingehend, dass Betroffenen, deren Upright-MRT-Bilder harmlos auszusehen scheinen, die Daseinsberechtigung als „richtiger CCI-Patient“ regelrecht abgesprochen wird. Doch wenn allein die Bildgebung als Grundlage für eine CCI-Diagnose nicht ausreicht, braucht es ebenfalls mehr als das oder unüberlegte Kommentare von Fremden, einen CCI-Verdacht zu entkräften. Denkt dran: Nicht jedes Nervensystem reagiert gleich empfindlich auf dieselbe Belastung oder anatomische Situation. Manche Menschen mit haarsträubenden Bildern ihrer Wirbelsäule springen durchs Leben wie junge Rehe, und wieder andere, bei denen man mit der Lupe nach Anomalien Ausschau halten muss, leiden jeden Tag Höllenqualen. Sagt übrigens auch Dr. Bolognese, also einer, der täglich solche Bilder sieht: „Du kannst ein MRT haben, das schrecklich aussieht, aber der Patient ist völlig in Ordnung, weil sein Gehirn das aushält. Oder du hast ein MRT, das ganz normal aussieht, aber der Patient hat katastrophale Bänder.“ Dr. Saperstein würde nicken, denn seine Aussage lautet: „Das Problem ist: Oft zeigen diese [CCI-]Tests Werte, die gar nicht so relevant sind. Viele Menschen mit EDS sind hypermobil und drehen den Kopf wie Eulen. Aber heißt das automatisch, dass es gefährlich ist? Das wissen wir nicht.“ Also bitte, lasst doch dieses ewige „Die meisten hier haben keine richtige Instabilität“ sein! Das ist anmaßend, ausgrenzend, verunsichernd und alles andere als zielführend. CCI ist kein Wettbewerb!

3) Außerdem dürfen wir niemals vergessen, dass zwischen einem Werkzeug und einem Output immer noch das Menschsein steht. War euch zum Beispiel bewusst, dass Fehler in der Radiologie überraschend häufig vorkommen? Eine Studie fand eine Fehlerquote von 43,6 % (Herzog et al., 2017). Ein anderer Artikel berichtete, dass 83 % der Radiologen es nicht bemerkten, als ein Bild eines Gorillas in eine MRT-Aufnahme eingefügt wurde (Drew et al., 2013).

So einen Gorilla kann man schon mal übersehen. (Bild: wirbelwirrwarr)

4) Addiert dies zu dem Umstand hinzu, dass es hier und da noch immer an der richtigen Bedienung von Upright-MRTs hapert (zum Beispiel wenn wichtige Kopfpositionen gar nicht erst dargestellt werden), lässt sich gut erklären, wieso sich im Augenblick so viel Frust über dieses Bildgebungsverfahren breit macht.

Aber das Upright-MRT deshalb gleich verteufeln? Nein! Wir müssen weiter aufklären! Denn glaubt mir: Auch ein DMX ist nicht perfekt:

SchwächeErklärung
Fehlende StandardisierungKeine normierten Bewegungsprotokolle
Keine WeichteildarstellungLigamente, Hirnstamm, Liquorraum nicht sichtbar
C0/C1 schwer darstellbarDMX eignet sich schlecht für die Beurteilung von C0/C1. Die Bewegungen zwischen Schädel und Atlas sind oft zu fein, um sie in einem Röntgenbild (selbst dynamisch) gut beurteilen zu können.
Denn die Knochenstrukturen überlagern sich und die dreidimensionale Bewegung kann auf zweidimensionalen Bildern missverständlich oder unsichtbar sein. Dr. Gilete betont daher, dass Upright-MRT für C0/C1 besser geeignet ist, weil es die Relation zwischen Schädelbasis und Atlas klar darstellt – inklusive Weichteilstrukturen.
StrahlenbelastungDauerhafte Röntgenstrahlung während der Aufnahme, wenn auch gering
Falsch-negative/-positiveDie Bewegung während der DMX hängt stark von der Aktivität des Patienten ab: Zu viel Muskelverspannung (Schutzspannung) → Bewegungen werden blockiert → mögliche falsch-negative Befunde
Zu lockere Führung durch den Untersucher → übermäßige Bewegung → mögliche falsch-positive Befunde
Keine funktionellen InfosKein Hinweis auf Hirnstammkompression oder Liquorflussprobleme
Das muss man erstmal sacken lassen, was?

Unterm Strich

Das Upright-MRT ist ein wichtiges Instrument, um eine Kopfgelenksinstabilität zum Vorschein zu bringen. Es sollte nicht unterschätzt, aber auch keinesfalls überschätzt werden. Entscheidend ist vor allem, der Komplexität der Erkrankung CCI im diagnostischen Prozess gerecht zu werden, indem sie von mehreren Seiten, mittels mehrerer Methoden und unter Berücksichtigung der individuellen körperlichen und neurologischen Konstitution des jeweiligen Patienten in Augenschein genommen wird. Erst dann lässt sich mit den Ergebnissen überhaupt etwas anfangen.

Stutenbissigkeit unter CCI-Betroffenen und jenen, die diesem Verdacht nachgehen, braucht es hingegen nicht. Merke: Messwerte alleine definieren keine CCI, da sie fehleranfällig sind und jeder Mensch unterschiedlich empfindlich ist.
Und genau das möchte ich auch in Zukunft wieder und wieder unterstreichen, und noch mehr Menschen ermutigen, sich Gewissheit zu verschaffen – auch mit Hilfe von Upright-MRTs. Denn nur so kann sich etwas tun.

Dass auf diese Weise mehr CCI-Diagnosen entstehen, versteht sich wohl von selbst. Diese Menschen tauchen aber nicht plötzlich auf, wie es oft kritisiert wird. Sie waren schon immer da, nur unentdeckt oder aus Verlegenheit in die Psychoschiene einsortiert. Mehr Aufklärung führt dazu, dass sie von dort zu den richtigen Adressen ausweichen. Und das ist doch gut?

Und ja, Upright-MRTs sind Geldmache. Die Praxisbetreiber wollen schließlich auch von etwas leben und können vermutlich nichts dafür, dass die Krankenkassen dieses Prozedere nicht unterstützen. Außer meiner. Liebe Grüße an die BKK-Linde. Wenn ihr euer Glück versuchen wollt, schaut mal hier.

Zum Schluss nochmal ein Blick über den Tellerrand:

Gibt es Alternativen zum Upright-MRT?

Laut Dr. Gilete – the Master of Fusion in Barcelona – ist eine aufrechte Bildgebung für die Diagnose einer CCI am aussagekräftigsten. Aber hin und wieder lässt sich das nicht umsetzen, weil Patienten zum Beispiel so schwer erkrankt sind, dass sie nur liegen können. In dem Fall muss bei der Bildgebung im Liegen eben ein bisschen getrickst werden:

  1. MRT in Rückenlage der Halswirbelsäule und des okzipito-zervikalen Übergangs in
    • Neutralposition (sagittale & axiale Schnitte)
    • Maximaler Beugung & Streckung (sagittale Schnitte)
  2. CT mit 3D-Rekonstruktion (bis C2) in
    • Neutralposition
    • Maximaler Rotation nach beiden Seiten

Zur Unterstützung werden Kissen oder Schaumstoffpolster unter den Kopf gelegt, um das Kinn für die Beugungsaufnahmen nahe an die Brust zu bringen. Für die Streckungsaufnahmen werden Polster unter die Schultern gelegt, damit der Kopf nach hinten geneigt werden kann (hier entsprechende Bilder).

Er bietet zudem die Cone Beam Computed Tomography (CBCT) an. Patienten, die Positionen nicht über einen längeren Zeitraum halten können, kommt diese Art der Untersuchung zugute, weil sie schnell geht.

Larsen (und das will was heißen) verweist auf Upright-MRTs mit sehr guter Bildqualität im Medserena-Zentrum in London.

Dr. Saperstein spricht im oberen Video über DMX – wobei das Upright-MRT ja eigentlich als Alternative zu DMX angesehen wird, nicht umgekehrt. Das Statement ist dennoch wichtig:
„DMX misst sehr genau die Bewegung der Wirbel gegeneinander und den Schädel auf dem ersten Halswirbel. Aber: Es ist nicht standardisiert. Die Bilder sehen oft „schlimmer“ aus […]. Es wirkt, als würde der Hals gleich auseinanderfallen. Aber kein Chirurg kann oder wird alle diese Probleme operieren – oder wir wissen nicht mal, ob es sich überhaupt operieren lässt. DMX stammt ursprünglich aus der Traumatologie, zum Beispiel bei Schleudertrauma. Aber bei EDS (Ehlers-Danlos-Syndrom) sind die Bänder einfach lockerer. Es ist also fraglich, ob das gleiche Konzept passt.“

Sein Statement zu Bildgebungsmethoden zur Beurteilung einer CCI insgesamt:
Später im Video verweist er auf die Bedeutung transkranielle Doppler-Untersuchungen zur Beurteilung der Gehirndurchblutung – da es bei CCI auch um Durchblutungs- und Liquorabflussprobleme geht (siehe Dr. Rosa), nicht nur oder eventuell viel weniger um mechanische Schädigung am Hirnstamms.

Ach wisst ihr was? Ihr kriegt eine Tabelle und gut. 😉

Eine Tabelle

MethodeDynamische Untersuchung?Schwerkrafteinfluss?Erkennt ligamentäre Instabilitäten?Erkennt knöcherne Instabilitäten?Darstellbare Winkelmessungen & ParameterEinschränkungen
Upright-MRT (0,3T–0,6T)❌ Nein (statisch in verschiedenen Positionen)✅ Ja🔸 Eingeschränkt sichtbar🔹 Gut sichtbar🔹 Clivo-Axialer Winkel (CXA) 🔸 Grabb-Mapstone-Oakes-Messung (GOM) (eingeschränkt) 🔹 Wackenheim-Linie (eingeschränkt)Geringe Bildqualität, keine Echtzeit-Dynamik, oft werden keine Flexions- und Extensionsaufnahmen gemacht (also keine Beurteilung des Grabb-Oakes-Werts möglich)
Liegendes MRT (1,5T–3T)❌ Nein (statisch)❌ Nein🔹 Gut sichtbar🔹 Gut sichtbar🔹 CXA 🔹 GOM 🔹 Clivo-Canal-Winkel 🔹 Basion-Dens-Intervall (BDI)Keine Belastung durch Schwerkraft, Bewegungseinschränkungen nicht erfassbar
DMX (Digital Motion X-Ray)✅ Ja (Echtzeit-Video)✅ Ja🔹 Sehr gut🔹 Sehr gut🔹 Atlantodentaler Intervall (ADI) 🔹 C1-C2-Überhang 🔹 Harris-Messung (BAI & BDI)Strahlenbelastung, geringer als bei CT, keine Weichteildarstellung, in Deutschland nicht verfügbar (Alternative: Flexions-Extensions-MRT; C1-C2-Überhang auf offenen Mund Röntgenaufnahmen prüfen)
Sandberg-Röntgen (Flexion/Extension)🔸 Begrenzt (statisch in zwei Positionen)✅ Ja🔸 Eingeschränkt sichtbar🔹 Gut sichtbar🔹 ADI 🔹 BAI & BDIKeine Echtzeit-Bewegung, keine Weichteildarstellung, liefert nur Momentaufnahmen der Endpositionen, Bewegung dazwischen nicht erfassbar
CT in Flexion/Extension🔸 Begrenzt (statisch in zwei Positionen)✅ Ja❌ Nicht sichtbar🔹 Sehr gut🔹 ADI 🔹 BAI & BDI 🔹 Chamberlain-LinieHohe Strahlenbelastung, keine Weichteildarstellung, liefert nur Momentaufnahmen der Endpositionen, Bewegung dazwischen nicht erfassbar
DVT (Digitale Volumentomographie)❌ Nein (statisch)✅ Ja❌ Nicht sichtbar🔹 Sehr gut🔹 ADI 🔹 BAI & BDI (eingeschränkt)Keine Weichteildarstellung, nicht überall verfügbar
Video-Fluoroskopie (VF X-ray)✅ Gut❌ Kaum sichtbar🔸 Ja, indirekt, geringere Bildrate (10-15 fps)🔹 Gut sichtbar🔹 C1-C2-Überhang 🔹 ADIAlternative zu DMX; Bildqualität nicht so hoch wie DMX, Ghosting-Effekte möglich
CBCT (Cone Beam CT)🔸 Begrenzt (statisch, kann in mehreren Positionen durchgeführt werden)✅ Ja❌ Nicht sichtbar🔹 Sehr gut🔹 ADI 🔹 BAI & BDI 🔹 Chamberlain-LinieSehr hohe räumliche Auflösung, geringere Strahlenbelastung als konventionelles CT, jedoch keine Weichteildarstellung, nicht für dynamische Echtzeitaufnahmen geeignet, primär zur Darstellung von knöchernen Strukturen und präoperativer Planung verwendet

🔹 = Gut darstellbar | 🔸 = Eingeschränkt darstellbar | ❌ = Nicht darstellbar | ✅ = Ja | ❌ = Nein


Bifulco, P. et al. (2013). Measurement of intervertebral cervical motion by means of dynamic X-ray image processing and data interpolation. International Journal of Biomedical Imaging, 2013, Article ID 152920. https://doi.org/10.1155/2013/152920

Bouchard, M. et al. (2019). An updated algorithm for radiographic screening of upper cervical instability in patients with Down syndrome. Spine Deformity, 7(6), 950–956. https://doi.org/10.1016/j.jspd.2019.01.012

Chilvers, G. et al. (2017). Blunt cervical spine injury in adult polytrauma: Incidence, injury patterns, and predictors of significant ligament injury on CT. Clinical Radiology, 72(10), 907–914. https://doi.org/10.1016/j.crad.2017.06.122

Drew, T. et al. (2013). The invisible gorilla strikes again: sustained inattentional blindness in expert observers. Psychological science24(9), 1848–1853. https://doi.org/10.1177/0956797613479386

Freeman, M. D. et al. (2010). A case-control study of cerebellar tonsillar ectopia (Chiari) and head/neck trauma (whiplash). Brain injury24(7-8), 988–994. https://doi.org/10.3109/02699052.2010.490512

Gilbert, J. W. et al. (2006). Upright weight-bearing cervical flexion/extension dynamic magnetic resonance imaging: Case report and review of the literature. European Journal of Radiology Extra, 60(3), 121–124. https://doi.org/10.1016/j.ejrex.2006.09.007

Gordillo, A. J. et al. (2024). Radiographic Indicators of Craniocervical Instability: Analyzing Variance of Normative Supine and Upright Imaging in a Healthy Population. Clinical spine surgery, 10.1097/BSD.0000000000001715. Advance online publication. https://doi.org/10.1097/BSD.0000000000001715

Grabb, P. A. et al. (1999). Ventral brain stem compression in pediatric and young adult patients with Chiari I malformations. Neurosurgery44(3), 520–528. https://doi.org/10.1097/00006123-199903000-00050

Gupta, V. et al. (2007). Dynamic magnetic resonance imaging evaluation of craniovertebral junction abnormalities. Journal of Computer Assisted Tomography, 31(3), 354–359. https://doi.org/10.1097/01.rct.0000238009.57307.26

Harris, J. H. et al. (1994). Radiologic diagnosis of traumatic occipitovertebral dissociation: 1. Normal occipitovertebral relationships on lateral radiographs of supine subjects. AJR. American journal of roentgenology162(4), 881–886. https://doi.org/10.2214/ajr.162.4.8141012

Joaquim, A. F. et al. (2015). Radiological evaluation of cervical spine involvement in rheumatoid arthritis. Neurosurgical Focus, 38(E4). https://doi.org/10.3171/2015.1.FOCUS14664

Johansson, B. H. (2006). Whiplash injuries can be visible by functional magnetic resonance imaging. Pain Research & Management, 11(3), 197–199.

Smith, F. W., & Dworkin, J. S. (Eds.). (2015). The craniocervical syndrome and MRI. Basel: Karger.

Mayer, M. et al. (2013). Hidden discoligamentous instability in cervical spine injuries: can quantitative motion analysis improve detection?. European spine journal : official publication of the European Spine Society, the European Spinal Deformity Society, and the European Section of the Cervical Spine Research Society22(10), 2219–2227. https://doi.org/10.1007/s00586-013-2854-x

Michelini, G. et al. (2018). Dynamic MRI in the evaluation of the spine: state of the art. Acta bio-medica : Atenei Parmensis89(1-S), 89–101. https://doi.org/10.23750/abm.v89i1-S.7012

Muccio, M. et al. (2021). Upright versus supine MRI: effects of body position on craniocervical CSF flow. Fluids and barriers of the CNS18(1), 61. https://doi.org/10.1186/s12987-021-00296-7

Nicholson, L. L. et al. (2023). Reference values of four measures of craniocervical stability using upright dynamic magnetic resonance imaging. La Radiologia medica128(3), 330–339. https://doi.org/10.1007/s11547-023-01588-8

Redebrandt, H. N. et al. (2022). Clinical evaluation versus magnetic resonance imaging findings in patients with radicular arm pain-A pragmatic study. Health science reports5(3), e589. https://doi.org/10.1002/hsr2.589

Rojas, C. A. et al. (2007). Reassessment of the craniocervical junction: Normal values on CT. American Journal of Neuroradiology, 28, 1819–1823. https://doi.org/10.3174/ajnr.A0660

Herzog, R. et al. (2017). Variability in diagnostic error rates of 10 MRI centers performing lumbar spine MRI examinations on the same patient within a 3-week period. The spine journal : official journal of the North American Spine Society17(4), 554–561. https://doi.org/10.1016/j.spinee.2016.11.009

Suzuki, F. et al. (2008). Discrepancies of MRI findings between recumbent and upright positions in atlantoaxial lesion. Report of two cases. European spine journal : official publication of the European Spine Society, the European Spinal Deformity Society, and the European Section of the Cervical Spine Research Society17 Suppl 2(Suppl 2), S304–S307. https://doi.org/10.1007/s00586-008-0595-z: