Schon wieder eine Prüfung bestanden, mein Masterabschluss in Psychologie rückt also immer näher. Was ich im letzten Semester gelernt habe, möchte ich euch heute gern vorstellen: Es handelt sich um eine Studie von Usui und Kollegen (2023), die den Einsatz von molekularem Wasserstoff als Therapie für durch oxidativen Stress ausgelöste Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) beleuchtet. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Molekularer Wasserstoff scheint nicht nur Entzündungen zu reduzieren, sondern auch ASD-Symptome zu lindern. Das Spannende daran? Genau diese antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften könnten auch für Menschen mit ME/CFS vielversprechend sein.


ADS und oxidativer Stress

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASD) ist eine komplexe, neuroentwicklungsbedingte Störung, die sich durch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie durch repetitive Verhaltensmuster und eingeschränkte Interessen auszeichnet. ASD umfasst ein breites Spektrum an Symptomen und Schweregraden, was bedeutet, dass Betroffene unterschiedliche Ausprägungen der Störung erleben können. Die genauen Ursachen sind nicht vollständig geklärt, doch es wird angenommen, dass genetische und umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielen. ASD tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf, und die Diagnose erfolgt in der Regel im frühen Kindesalter.

Usui und Kollegen (2023) betrachten einen wichtigen umweltbedingter Risikofaktor: die mütterliche Immunaktivierung (MIA) während der Schwangerschaft. Diese kann durch Infektionen, Stress oder andere Faktoren ausgelöst werden. MIA kann zu Entzündungen und oxidativem Stress führen, was laut einer Meta-Analyse von Jiang und anderen (2016) die Gehirnentwicklung des Fötus beeinflusst und das Risiko für ASD um etwa 12% erhöht – sowie andere neuropsychiatrische Störungen. Das heißt also: Die gestörte Immunantwort der Mutter und der oxidative Stress führen zu neuroinflammatorischen Prozessen, die neuronalen Schäden verursachen, die die Entstehung von ASD begünstigen. Das ist das eine.

Die Studie diskutiert jedoch auch den Einsatz von Antioxidantien und entzündungshemmenden Therapien als potenzielle Ansätze zur Prävention und Behandlung von ASD. Studien an Tiermodellen zeigen, dass entzündungshemmende Therapien vielversprechend sind. Beispielsweise führte die Verabreichung von Antikörpern gegen entzündungsfördernde Zytokine wie IL-17a und IL-6 zu einer Verbesserung autistischer Verhaltensweisen und hirnstruktureller Anomalien bei Mäusen. Darüber hinaus konnte eine ketogene Diät neuroprotektive Effekte zeigen, und die Einnahme von Probiotika reduzierte Entzündungsmarker bei schwangeren Mäusen und verhinderte ASD-ähnliche Verhaltensweisen bei deren Nachwuchs.
In klinischen Studien mit Kindern konnte die Verabreichung von natürlichen Antioxidantien, wie Vitamin C (Robea et al., 2020), Coenzym Q10 (Gvozdjáková et al., 2014), Sulforaphan (aus Brokkoli; Singh et al., 2014) und N-Acetylcystein (NAC), ASD-Symptome wie soziale Rückzugstendenzen, Reizüberempfindlichkeit und stereotype Verhaltensweisen lindern.

Usui und Kollegen (2023) heben jedoch besonders ein Silizium-basiertes Wasserstoffprodukt hervor, das im Körper mit Wasser reagiert und direkt im Verdauungssystem eine Substanz freisetzt, die in Tiermodellen Entzündungs- und Oxidationsprozesse reduzieren konnte: molekularer Wasserstoff.

Was ist molekularer Wasserstoff?

Molekularer Wasserstoff (H2) ist ein farbloses, geruchloses, ungiftiges Gas. 2007 entdeckten Forscher in Japan, dass H2 eine antioxidative Wirkung besitzt. Er kann gezielt schädliche reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies (ROS) wie Hydroxylradikale und Peroxynitrit neutralisieren. H2 zeigt therapeutische Effekte bei verschiedenen Erkrankungen, darunter Krebs (Chen et al., 2019), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Tamura et al., 2016), neurologische (Yoritaka et al., 2013) und Atemwegserkrankungen (Gong et al., 2016). Neben seiner antioxidativen Wirkung besitzt H2 auch entzündungshemmende, anti-apoptotische und anti-allergische Eigenschaften und kann die Genexpression und Signalübertragung regulieren. H2 kann leicht die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und Zellen vor Schäden in den Mitochondrien schützen. Studien haben gezeigt, dass das Trinken von H2-reichem Wasser oder das Einatmen von H2-Gas bei Tieren (Tsubone et al., 2013) und Menschen (Da Ponte et al., 2018) eine anti-ermüdende Wirkung hat, besonders nach körperlicher Belastung. Es gibt Hinweise darauf, dass H2 für Patienten mit ME/CFS (Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) wirksam sein könnte (Morris et al., 2019; Lucas & Langguth, 2019).

Wasser ist Leben. (Bild: wirbelwirrwarr)

Auch gut zu wissen:

Traditionelle Antioxidantien wie Vitamin C und Vitamin E wirken nicht selektiv und neutralisieren eine breite Palette von freien Radikalen, was dazu führen kann, dass sie auch nützliche Radikale beeinflussen, die wichtige Funktionen im Körper erfüllen, wie beispielsweise im Immunsystem. Dies kann in einigen Fällen zu einer Beeinträchtigung normaler Zellfunktionen führen (Stichwort Reduktionsstress).

H2 hingegen ist in seiner Wirkung selektiver und zielt hauptsächlich auf die schädlichsten freien Radikale ab, insbesondere auf Hydroxylradikale (·OH), die als besonders aggressiv und schädlich für Zellen gelten. Da H2 nicht mit weniger schädlichen oder nützlichen Radikalen reagiert, gilt es als ein effektiveres und sichereres Antioxidans.

Oha! H2 ist ja ein Alleskönner! Oder?

Es braucht Forschung

Laut Botek und anderen (2022) könnte H2 wegen seiner antioxidativen, entzündungshemmenden und anti-ermüdenden Wirkung eine neue Behandlungsoption für Post-COVID-19-Patienten sein. In einer 14-tägigen Studie inhalierten 50 Patienten entweder H2 oder ein Placebo für zweimal 60 Minuten täglich. Die H2-Gruppe zeigte deutliche Verbesserungen: Sie konnten im 6-Minuten-Gehtest 64 Meter weiter gehen und hatten bessere Lungenwerte. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die H2-Inhalation eine sichere und effektive Methode sein könnte, um die Erholung von Post-COVID-19-Patienten zu unterstützen.

Eine Studie von Friedberg und Choi (2022) untersuchte, ob molekularer Wasserstoff (H2) die Symptome von (ME/CFS) lindern kann. In einem 28-tägigen Pilotversuch tranken 23 Teilnehmer entweder H2-angereichertes Wasser oder Placebo-Wasser. Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Verbesserungen der Symptome oder biologischen Marker in der H2-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Eine kleine, aber signifikante Reduktion der Müdigkeit wurde nur in der Placebo-Gruppe beobachtet. Zudem führten Nebenwirkungen bei 27,2% der H2-Teilnehmer zum Abbruch. Die Studie kam zu dem Schluss, dass H2 keine Verbesserung bei ME/CFS bewirkte, und eine niedrigere Dosierung könnte für zukünftige Studien sinnvoll sein.

Eine Literaturrecherche von Hirano et al. (2022) deutet wiederum darauf hin, dass H2 das Potenzial hat, ME/CFS zu behandeln, wobei darauf hingewiesen wird, dass es weitere klinische Studien bräuchte, um seine Wirksamkeit und den genauen Wirkmechanismus zu bestätigen.

Also Fazit: Es braucht Forschung, klingt aber sehr vielversprechend. Habt ihr schon Erfahrungen mit molekularem Wasserstoff sammeln können?


Chen, J. B. et al. (2019). „Real world survey“ of hydrogen-controlled cancer: a follow-up report of 82 advanced cancer patients. Medical Gas Research, 9(3), 115–121. https://doi.org/10.4103/2045-9912.266985

Friedberg, F., & Choi, D. (2022). Hydrogen water as a treatment for myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: a pilot randomized trial. Fatigue: Biomedicine, Health & Behavior, 10(1), 26–39. https://doi.org/10.1080/21641846.2022.2038519

Gong, Z., Guan, J., Ren, X., Meng, D., Zhang, H., Wang, B., et al. (2016). Protective effect of hydrogen on the lung of sanitation workers exposed to haze. Chinese Journal of Tuberculosis and Respiratory Diseases, 39(12), 916–923. https://doi.org/10.3760/cma.j.issn.1001-0939.2016.12.003

Gvozdjáková, A., Kucharská, J., Ostatníková, D., Babinská, K., Nakládal, D., & Crane, F. L. (2014). Ubiquinol improves symptoms in children with autism. Oxidative Medicine and Cellular Longevity, 2014, 798957. https://doi.org/10.1155/2014/798957

Hirano, S. I. et al. (2022). Molecular Hydrogen as a Medical Gas for the Treatment of Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Possible Efficacy Based on a Literature Review. Frontiers in neurology, 13, 841310. https://doi.org/10.3389/fneur.2022.841310

Jiang H.Y., Xu L.L., Shao L., Xia R.M., Yu Z.H., Ling Z.X., Yang F., Deng M., Ruan B. Maternal infection during pregnancy and risk of autism spectrum disorders: A systematic review and meta-analysis.

Lucas, K., Rosch, M., & Langguth, P. (2021). Molecular hydrogen (H2) as a potential treatment for acute and chronic fatigue. Archives of Pharmacy, 354(3), e2000378. https://doi.org/10.1002/ardp.202000378

Morris, G., Puri, B. K., Walker, A., Maes, M., Carvalho, A. F., Walder, K., et al. (2019). Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: pathophysiological insights to novel therapeutic opportunities. Pharmacological Research, 148, 104450. https://doi.org/10.1016/j.phrs.2019.104450

Robea, M. A. et al. (2020). Vitamin C attenuates oxidative stress and behavioral abnormalities triggered by fipronil and pyriproxyfen insecticide chronic exposure on zebrafish juvenile. Antioxidants, 9(10), 944. https://doi.org/10.3390/antiox9100944

Singh, K. et al. (2014). Sulforaphane treatment of autism spectrum disorder (ASD). Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 111(43), 15550–15555. https://doi.org/10.1073/pnas.1416940111

Tamura, T., Hayashida, K., Sano, M., Suzuki, M., Shibusawa, T., Yoshizawa, J., et al. (2016). Feasibility and safety of hydrogen gas inhalation for post-cardiac arrest syndrome. Circulation Journal, 80(9), 1870–1873. https://doi.org/10.1253/circj.CJ-16-0127

Tsubone, H., Hanafusa, M., Endo, M., Manabe, N., & Hiraga, A. (2013). Effect of treadmill exercise and hydrogen-rich water intake on serum oxidative metabolites in serum of Thoroughbred horses. Journal of Equine Science, 24(1), 1–8. https://doi.org/10.1294/jes.24.1

Usui, N. et al. (2023). Neuroinflammation and Oxidative Stress in the Pathogenesis of Autism Spectrum Disorder. International journal of molecular sciences, 24(6), 5487. https://doi.org/10.3390/ijms24065487

Yoritaka, A. et al. (2013). Pilot study of H2 therapy in Parkinson’s disease: A randomized double-blind placebo-controlled trial. Movement Disorders, 28(6), 836–839. https://doi.org/10.1002/mds.25375