Nicht der Zufall, sondern ihr habt entschieden: Heute dreht sich alles um Vitamin B12, das Wundervitamin für nitrostressgeplagte Seelen. Einen Beitrag dazu gibt es sogar schon. Aber mal im Ernst: Ich kann das doch noch besser!
Wer oder was ist Vitamin B12?
Vitamin B12 (Cobalamin) gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen, kann aber trotzdem über längere Zeit in der Leber gespeichert werden (Kuklinski & Lunteren, 2019). Es spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung der roten Blutkörperchen und der DNA, ist also entscheidend für Zellwachstum und Zellteilung. Auch das Nervensystem profitiert von Vitamin B12, denn dort hilft es, die Hüllen der Nervenfasern zu regenerieren und neu zu bilden – die Basis für die Funktionsfähigkeit des Nervensystems.
Wir Instabilos haben neben all dem noch ein paar mehr Gründe, dieses Vitamin wertzuschätzen, ja geradezu einen roten Teppich dafür auszurollen. Es ist nämlich so: Nitrosativer Stress (also ein Zuviel an Stickoxid) der unter anderem durch außer Rand und Band geratene Wirbel entsteht (für mehr Informationen liest du hier oder hier, oder hörst du hier), vertilgt Unmengen von Vitamin B12 (Kobaltoxidation)! Oder wenn man viel Lachgas bekommt (Amess, 1978) – allerdings wird es danach inaktiviert.
Was daraus resultiert, ist für viele Betroffene ein Dorn im Auge: Brainfog/Gehirnnebel, Schwindel, Allergien, neurologische Eigenartigkeiten wie Polyneuropathien bis hin zu rätselhaften und nur schwer einsortierbaren Stoffwechselstörungen. Da liegt es doch eigentlich auf der Hand, den leeren Tank wieder aufzufüllen, nicht?
Dr. Kuklinski (2018) sähe sich an dieser Stelle vermutlich gezwungen, so hektisch zu nicken, dass ihn Schwindel heimsuchen würde. Vitamin B12 senkt sehr rasch Stickstoffmonoxid und löst Blockaden des Mitochondrienstoffwechsels auf, käme es aus ihm geplätschert (Kuklinski, 2005). Aber: Wie, was und wo lässt sich B12 denn eigentlich auffüllen?
B12, B12 oder B12 – Was davon brauchts denn nun?
Vitamin B12 ist den meisten Menschen, wenn auch nur flüchtig, ein Begriff. Es steckt zum Beispiel in Eigelb, Krebsen, Hering oder aber in Leber und Niere von Schaf, Schwein und Rind. Als Nahrungsergänzungsmittel strahlt es uns in Apotheken an als rote Flüssigkeit, Spray, Lutschtabletten oder Injektionsampullen. So viel Auswahl und trotzdem (oder vermutlich gerade deshalb) wird man oft ganz unsicher – besonders wenn auf den Verpackungen eigenartige Begriffe wie Cyanocobalamin, Methylcobalamin und andere Zungenbrecher zu entdecken sind. Sowas… Muss man etwa einen Volkshochschulkurs absolvieren, um entscheiden zu können, welche Form die beste ist? Nö. Das Wissen gibt’s hier bei mir, gratis, ohne Gewähr und wie so oft bekömmlich.

Cyano-, Hydroxo, Methyl- und Adenosylcobalamin unter der Lupe
Cyanocobalamin
Dieses Zeug ist nichts anderes als eine synthetisch hergestellte Form von Vitamin B12. Es ist verglichen mit anderen Formen haltbarer und ebenfalls kostengünstiger – und deshalb sehr beliebt. Seine Stabilität sinkt allerdings in Gegenwart von Vitamin C (Ascorbinsäure).
Cyanocobalamin muss erst in eine aktive, verwertbare Form umgewandelt werden, was so einiges an Cofaktoren benötigt. (Wer nun ins Grübeln kommt, weil dies umständlich erscheint, dem sei gesagt: Viele Vitamine sind nicht direkt „benutzbar“, zum Beispiel Vitamin D3, das zu Calcitriol wird oder Betacarotin zu Vitamin A. Der Knackpunkt ist wohl eher, dass die Umwandlung von Cyanocobalamin die Abspaltung eins Cyanidmoleküls erfordert, welches danach mühevoll aus dem Körper verbannt werden muss.)
Bei Leber- und speziellen Augenkrankheiten sollte auf Cyanocobalamin verzichtet werden. Noch genauer möchte ich das aber nicht betrachten, denn diese Dinge gehören ins Sprechzimmer.
Hydroxocobalamin
Hydroxocobalamin ist eine der natürlichen und aktiven Formen von B12 und wird vom Körper somit besser aufgenommen und eingelagert (Hall et al., 1984). Auf der Seite www.vitaminb12.de wird es sogar als die wirksamste Form beschrieben. Je nach Bedarf kann es zu den bioaktiven Formen Methylcobalamin und Adenosylcobalamin umgewandelt werden (Van Kapel, 1983). Eine Kombination mit dem direkt bioaktiven Methylcobalamin ist möglich, um ausgezeichneter Bioverfügbarkeit und langanhaltender Depotwirkung zu vereinen.
Verglichen mit Cyanocobalamin zeigt Hydroxocobalamin bei parenteraler Applikation (am Darm vorbei) eine bessere Depotwirkung. „Während 50 bis 90% einer intramuskulär oder intravenös verabreichten Gabe von 0,1 bis 1 mg Cyanocobalamin innerhalb von 48 Stunden mit dem Urin ausgeschieden werden, sind nach Applikation von Hydroxocobalamin länger anhaltende Serumspiegel zu beobachten, wobei innerhalb von 72 Stunden lediglich 16 bis 66% der Dosis im Urin erscheinen„, erklären Poglogar und Smollich. Und weiter: „Dieser Effekt ist jedoch nur in der Anfangstherapie akuter Mangelzustände relevant; in der Langzeitbehandlung sollten zwischen Hydroxocobalamin und Cyanocobalamin keine wesentlichen Unterschiede […] bestehen.“
Methylcobalamin
Methylcobalamin ist ein von Bakterien produziertes Coenzym – wie schon beschrieben: aus Hydroxo- und Cyanocobalamin. Es ist vor allem im Zellplasma aktiv.
Adenosylcobalamin
Adenosylcobalamin ist wie Methylcobalamin eine bioaktive B12-Form, und neben Hydroxocobalamin die häufigste Form in Nahrungsmitteln und in unserem Körper. Es ist vor allem in den Mitochondrien aktiv. Es wird 67-mal langsamer im Cytosol zu Cobalamin umgewandelt, verglichen mit Methylcobalamin, und setzt folglich weniger Cobalamin auf einen Schlag frei (Farquharson & Adams, 1976).
Pall (2009) nimmt in seinem Buch „Explaining unexplained illnesses“ Stellung zur geschicktesten Form der Verabreichung: „Die gewöhnliche Art der Verabreichung ist die intramuskuläre Injektion„, beschreibt er und nimmt kurz darauf Alternativen unter die Lupe, darunter Nasensprays und Lutschtabletten. Nasensprays scheinen in Untersuchungen durchweg effektiv zu sein, bei Lutschtabletten gestaltet sich das Bild eher durchwachsen.
So, nun aber weiter zu noch viel wichtigeren Fragen…
Woher weiß ich denn, dass ich einen B12-Mangel habe?
Denkt hier etwa einer ans Blutbild? Alle in Deckung, Kuklinski explodiert heute noch!
Nein, einen B12-Mangel sieht man nicht im Blut, stellt der Meister der Mitochondrien klar (2009). Solche Tests „führen auf den Holzweg. […] Sie spiegeln nur die orale Aufnahme der letzten Tage/Stunden wider.“
Aha! Also wohin muss man denn dann gucken? Metaboliten (Zwischenprodukte): Homocystein (B12, B6, Folat), Methylmalon, – citronensäure im Urin (B12), Cysthationanstieg (B6). Ist doch ganz simpel. Aber eben leider nicht weit verbreitet.

Kann man Vitamin B12 überdosieren?
Wie so oft gibt es da geteilte Meinungen. Hier deshalb ein paar knallharte Fakten:
Die Sicherheit einer Vitamin-B12-Behandlung wird zum Beispiel durch die Anwendung von Hydroxocobalamin als Gegenmittel bei einer Zyanidvergiftung (durch das Einatmen von Rauch) deutlich. In den Niederlanden gibt es sogar ein Notfallkit für Krankenwagen, Feuerwehren und Notaufnahmen. Eine Menge, die 5000 Injektionen à 1 mg B12 entspricht, wird in lebensbedrohlichen Situationen intravenös innerhalb von 15 Minuten verabreicht. Der Körper wandelt das Zyanid in Cyanocobalamin um und scheidet es über den Urin aus. Die Gesamtdosis kann 10 Gramm betragen und höchstens vorübergehende Nebenwirkungen wie Hautrötungen oder Veränderungen der Herzfrequenz verursachen. Das heißt: Selbst 10000 Injektionen pro Tag bewirken keine Überdosierung.
Trotz allem kann es auch mal zu Nebenwirkungen kommen. Dazu schreiben Kuklinski und Lunteren (2019): „Unter B12-Therapie steigt […] der Biotinbedarf, bei Nichtergänzung treten Hautprobleme, brüchige Nägel und Haare sowie Pickelbildung auf. Sie sind Hinweise auf ein Biotindefizit. Bei Langzeittherapie entsteht nachfolgend ein Folsäuremangel […]“ Heißt also: Wer B12 einnimmt, braucht auch Biotin und Folsäure. Biotin ist nämlich ein Cofaktor von B12; beide brauchen sich also gegenseitig, um optimal wirken zu können. ABER Obacht: Ein Zuviel an Folsäure kann einen B12-Mangel maskieren!
Aber zugegeben. Es gibt da irgendwo so Artikel, die so Studienergebnisse zum Zusammenhang von Lungenkrebs und B12-Einnahme reißerisch in die Welt katapultieren. Ist was dran?
B12 und das Ende der Welt
Eine dieser Studien wurde von Brasky et al. 2017 veröffentlicht. Ergebnis: Bei Männern verdoppelt sich das Lungenkrebsrisiko durch die Einnahme von täglich mehr als 55 µg Vitamin B12, verglichen mit Männern, die kein Vitamin B12 als Nahrungsergänzung einnahmen. Hab ich erwähnt, dass 92,5 Prozent der Probanden Raucher oder ehemalige Raucher waren? Wollt’s ja auch nur mal erwähnt haben… Trotzdem hat man dadurch allen Grund, bei jeder B12-Einnahme das Ende der Welt vor Augen zu haben, ganz klar. Aber mal im Ernst: Auch Krebszellen profitieren von hohen Mengen B12 – und Kartoffelchips, Bratensoße, Döner, Tomaten und dann auch wieder nicht, Marmelade… Und andersrum lässt Krebs den B12-Spiegel manchmal auch steigen. Ganz schön verwirrend…
Eine andere Studie von White et al. (2004) nahm Multivitaminpräparate unter die Lupe (welche, das lassen uns die Untersucher nicht wissen). Rückschlüsse auf die Wirkung von B-Vitaminen sind da wirklich heikel, besonders unter dem Aspekt, dass in Multivitaminpräparaten zahlreiche Zusätze enthalten sind, die womöglich schädlich sind.
Naja, von dieser Art schwirren viele Studien umher, aber sicherlich auch solche, die ein bisschen geschickter konzipiert waren.
Doch nicht das Ende
Nützt aber doch alles nix. Instabilos brauchen B12 und ich vermute mal, da überwiegen letztlich doch die Vorteile. Es wäre natürlich trotzdem nicht schlecht, sich einen erfahrenen Arzt zu suchen, der dann und wann ein Wörtchen mitredet, wenn es um den Einsatz von Vitamin B12 geht. Ich persönlich lebe knallhart nach folgender ärztlicher Anweisung: „Rein damit!“
Amess, J. A. L. et al. (1978). Megaloblastic haemopoiesis in patients receiving nitrous oxide. Lanctt, 2, 339.
Brasky, T. M., White, E., & Chen, C. L. (2017). Long-Term, Supplemental, One-Carbon Metabolism-Related Vitamin B Use in Relation to Lung Cancer Risk in the Vitamins and Lifestyle (VITAL) Cohort. Journal of clinical oncology : official journal of the American Society of Clinical Oncology, 35(30), 3440–3448. https://doi.org/10.1200/JCO.2017.72.7735
Farquharson J. und Adams, J.F. (1976). The forms of vitamin B12 in foods. Br J Nutr. 36(1), 127-36.
Hall, C.A. et al. (1984). The availability of therapeutic hydroxocobalamin to cells. Bloof, 63(2), 335-41.
Kim, J.E. et al. (2003). In vitro peroxynitrite scavenging activity of diarylheptanoids from Curcuma longa. Phytothe Res. 17(5), 481-484. https://doi.org/ 10.1002/ptr.1179.
Kuklinski, B. (2005). Zur Praxisrelevanz von nitrosativem Stress. Umweltmed. Gesellsch. 18, 95-106.
Kuklinski, B. (2008). Praxisrelevanz des nitrosativen Stresses. OM & Ernährung. 125, 2-18.
Kuklinski, B. (2018). Das HWS-Trauma – Ursachen, Diagnose und Therapie. Aurum.
Kuklinski, B. & Lunteren, I. (2019). Gesünder mit Mikronährstoffen. Schützen Sie Ihre Zellen vor freien Radikalen. Aurum.
Kuklinski, B. & Schemionek, A. (2016). Schwachstelle Genick – Ursachen, Auswirkungen und erfolgreiche Therapie. (15. Auflage), Aurum.
Pall, M.L., (2009). Explaining unexlained illnesses. Disease paradigm for chronic fatigue syndrome, multiple chemical sensitivity, fibromyalgia, post-traumatic stress disorder, gulf war syndrome, an others. informa.
Van Kapel, L.J.M. et al. (1983). Improved distribution analysis of cobalamins and cobalamin analogues in human plasma in which the use of thiol-blocking agents is a prerequisite, Clinica Chimica Acta, 131(3), 211-224. http://dx.doi.org/10.1016/0009-8981(83)90090-6.
White, E. et al. (2004). VITamins And Lifestyle cohort study: study design and characteristics of supplement users. American journal of epidemiology, 159(1), 83–93. https://doi.org/10.1093/aje/kwh010
Hall, C. A., Begley, J. A., & Green-Colligan, P. D. (1984). The availability of therapeutic hydroxocobalamin to cells. Blood, 63(2), 335–341.
Sandra
Super erklärt
. Vielen lieben Dank dafür. Ich nehme täglich B12 als Tropfen ein. Momentan umgerechnet ca. 1500 ug. Bin mir allerdings immer unsicher wieviel ich tatsächlich brauche
.
Darf ich fragen wieviel Du benötigst oder hast Du einen Rat wieviel gut wäre bei Instabilität mit Schwindel?
christin
Danke für dein Feedback.
Ich nehme mein B12 frei Schnauze, aber mindestens zweimal pro Woche subkutan, 1000 Mikrogramm. Dr. Myhill empfiehlt die tägliche subkutane Injektion, am besten morgens. Laut Kuklinski 1000 bis 5000 Mikrogramm bei erhöhtem Citrullin im Urin. Es kommt sicherlich drauf an, wie hoch dein Bedarf ist, aber da du nicht drin baden willst, sollte nicht viel schiefgehen. 
Liebe Grüße!
Christin
Sandra
Danke
Sandra
Hallo, Spritzt du dir dann das B12 selbst? Und nimmst du dann noch zusätzlich Biotin und Folsäure als Tabletten? Viele Grüße Sandra
christin
Ich habe mir das immer selbst gespritzt – als Hydroxocobalamin. Danach nur noch in Tablettenform, aber immer in Kombi mit Biotin und Folsäure.
Liebe Grüße
Christin
Sandra
Hallo, danke für die Antwort. Kannst du ein Kombipräparat empfehlen? Oder nimmst du alle drei Sachen einzeln? Das von Ratiopharm scheint recht wenig B12 zu haben von der Liste von Dr. Kulinski.
christin
Ich habe genommen, was Kuklinski empfohlen hat. Darüber hinaus habe ich nur Hydroxocobalamin gespritzt – das aber auch nicht mehr seit einem Jahr. Bin ein bisschen raus aus der ganzen Mikronährstoffgeschichte. Ich esse viel Unkraut, das ist billiger und mein Körper kommt gut damit klar.
Liebe Grüße
Christin