Ich wollte schon immer ein Instrument lernen, doch dabei blieb es dann. Bisher habe ich geglaubt, sowas sei ein Privileg für ganz besondere Menschen. Mittlerweile erkenne ich: Ich bin doch aber was Besonderes! Also was hält mich eigentlich auf? Meine Erkrankung?
Was könnte leichter sein als loszugehen und sich ein Instrument auszusuchen? Es gibt so viele schöne Möglichkeiten: von eleganten Streichinstrumenten bis hin zu pfiffigen Trommelvariationen, denen zugleich ein therapeutischer Zweck zugesprochen wird. Doch ist das wirklich so? Haben Menschen mit Wirbelsäulenproblemen freie Auswahl?
Klumpige Streicher
Unsere Tochter lernt seit einigen Monaten das wunderbare Instrument Geige. Ich genieße deren Klang, insbesondere in meinem Lieblingsstück La Melancholie von Ole Bull. Um sie jedoch spielen zu können, müsste ich ob der dazu erforderlichen Kopfhaltung eine Intensivierung meiner Symptome in Kauf nehmen – was mein kümmerliches Spiel noch zusätzlich in eine Katastrophe verwandeln würde. Geige fällt also aus.
Doch Streichinstrumente, obgleich ich um meine schrecklich unkoordinierten Finger weiß, sind damit nicht automatisch aus dem Spiel. Mein nächster Gedanke drehte sich nämlich um das Cello – sozusagen eine Geige, die man sich nicht zwischen Kopf und Schulter klemmen muss. (Musiker mögen mir diesen dürftigen Vergleich verzeihen.) Ich besuchte also eine Musikschule und ließ mir dieses Instrument zeigen.
Das Hantieren mit Bogen und dem doch recht klumpigen Instrument erinnerte mich an meine ersten unbeholfenen Fahrstunden. Auch damals stellte ich mich ziemlich unterbelichtet an, obwohl das häufige Abwürgen in gewisser Weise sogar einen Spaßfaktor darstellte. Ein Cello abzuwürgen erweckte in mir ganz ähnliche Gefühle: eine Mischung aus Triumph, die entsprechende Saite überhaupt zum Klingen gebracht zu haben, und Scham über den davon begleiteten, unausstehlich riechenden Angstscheiß. Ja, zumindest in Sachen Theatralik stehe ich den großen Cellisten in nichts nach. Doch um es kurz zu machen: Auch Cello fällt aus. Warum? Weil dieses Instrument sich gern im Sitzen benutzen lassen möchte, was mein Rücken jedoch schnell mit Schmerzen quittiert.
Richard
Aus Erfahrung lernt man. Ich zum Beispiel lernte, dass mein Instrument mir mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen muss. Mein Musiklehrer sah das auch so und präsentierte mir deshalb ein Instrument, von dem ich bislang nur wenig hielt: den Kontrabass.
Zu meiner Überraschung gefiel mir, wie dieser riesige Holzholkörper mich ansah. „Das ist ein richtiger Rüpel“, beschrieb ich meinen ersten Eindruck und begann zu spielen. Und das klappte auf Anhieb! „Wow!“, überkam es mich ungebremst, „damit könnte man Einbrecher in die Flucht schlagen!“ Mein Musiklehrer schien zufrieden. Jedenfalls hatte er inzwischen aufgehört, skeptisch zu schauen und erfreute sich an der unerwarteten Symbiose zwischen mir und dem großen Hohlkörper.
Richard, der Kontrabass (nach meinem bauchigen, ehrfurchtgebietenden und zugleich liebenswerten Physiklehrer von damals), ist jedoch noch nicht bei mir eingezogen. Denn bevor ich mich entscheide, möchte ich mir noch einen anderen Kandidaten ansehen.
Luft und Messing
Als Spielerin eines Blasinstruments sehe ich mich eigentlich gar nicht. Es gibt jedoch eine Ausnahme: das Saxophon. Es bietet maximalen Bewegungsspielraum, wäre bestens geeignet, die Propriozeption meiner Lunge zu trainieren und könnte mir dadurch helfen, genügend Sauerstoff aufzunehmen und Dinge wie Mitochondriopathie, nitrosativen Stress und eine Palette anderer garstiger Symptome bestmöglich einzudämmen.
Zugegeben, verglichen mit Richard wirkt so ein metallenes Ding eher plump. Doch ich möchte ihm eine Chance geben. Zwar gehört es zum Spielen eines Saxophons, sich einen Haltegurt um den Hals zu binden. Doch ich bin sicher, auch dafür gibt es Alternativen.
Wenn einer von euch jetzt denkt: „Es gibt doch aber noch andere Instrumente!“, stimme ich absolut überein. Doch die interessieren mich ganz einfach nicht. Kontrabass oder Saxophon – mal sehen, welches von beiden mein Herz erobert.
(Foto: Celm Onojeghuo – pexels.com, Eleazar Ceballos – pexels.com, Eldar Nazarov – unsplash.com, Ruca Souza – pexels.com)
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