Endlich ist es soweit! Nach so langer Zeit, in der es sich angefühlt hat, als lebte ich ausschließlich in meinen Büchern, darf ich endlich ausbrechen. Im Rahmen (und außerhalb) meines Studiums werde ich als Sterbebegleiterin unterwegs sein.
Ich fühle mich geehrt. Es wird großartig werden, Menschen auf ihrem Weg in ein neues Dasein begleiten zu dürfen, teilzunehmen an ihrer Reise, ihnen, wenn nötig, Trost und Wärme zu spenden. Dennoch muss ich auf der Hut sein: Manchmal neige ich dazu, meine Mitmenschen mit dem Kopf voraus in all das Gute in der Welt zu schubsen. Auch der Tod hat etwas Gutes, denke ich. Doch bloß weil ich den Tod nicht als etwas Bedrohliches wahrnehme und mir dies insgeheim auch für andere wünsche, bedeutet das nicht, alles in Bewegung setzen zu müssen, damit es auch Sterbenden so ergeht. Wer bin ich, mich in die Gefühlswelt eines Menschen einzumischen?
Unbequeme Emotionen, wie Angst, Wut, Verzweiflung und Reue, gehören zum Sterben. Und jeder, der stirbt, hat einen Anspruch darauf, sie auszudrücken. Auch Vorfreude darf empfunden werden, je nachdem.
Wie ein Mensch den Tod einschätzt, spielt aber eigentlich keine Rolle, also ob er längst versucht hat, sich eine Vorstellung darüber zu verschaffen oder nicht. Wenn es soweit ist, werden wir alle Angst verspüren – wie ein Fötus beim Einsetzen der Wehen. Und so stelle ich es mir übrigens vor, das Sterben. Als Geburt.
Ein Kind, das zur Welt kommt, erträgt Todesängste. Sein Leben lang schwebte es in einer dunklen, warmen Kugel voller Wasser, umgeben von lauten Geräuschen. Es fühlte sich geborgen und beschützt, denn wo es lebte, gab es nichts Bedrohliches. Der Herzschlag der Mutter, ihr Räuspern, das Gluggern ihres Magens, lautes Husten und dumpfe Stimmen aus einer fernen Quelle – all das war sein Zuhause. Bis seine Welt eines Tages zerbricht und es plötzlich, unter ungekannten Schmerzen, in ein neues, unvorstellbares Dasein katapultiert wird. Es gibt noch mehr, denkt es vielleicht und gewöhnt sich rasch an die neuen Eindrücke. Auf einer riesigen Kugel voller Wasser.
Wie denkt ihr darüber?
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