Für mich als Zebra ist das Leben manchmal irgendwie seltsam diabolisch. Einerseits sind da die verf*****n Symptome. Andererseits gibt es unzählige Möglichkeiten, was dagegen zu unternehmen. Aber das wiederum ist oft teuer finanziertes Russisch Roulette. Entweder hilft es, wenn auch nur ein bisschen. Oder man wünscht sich hinterher eine Gillotine. (Selbstverständlich ist die dann auch keine Kassenleistung). Wie ist das wohl mit dem FaceFormer?
Ein Kommentar
Neulich stolperte ich über einen Kommentar zu einer Live-Fragerunde mit Dr. Berndsen, dem wissenschaftlichen Leiter des ISST (Institut für Spezielle Systemische Therapie) – Internationales Zentrum für Rehabilitation und der Firma Dr. Berndsen GmbH Medizintechnik in Unna. Wie man auf seiner Seite lesen kann, beschäftigt er sich schon eine ganze Weile mit „der Erforschung und Entwicklung medizintechnischer Hilfen und neuer Therapiemethoden. Für ihre Innovationen wurden Patente, Auszeichnungen und Preise erteilt.“
Alles klar.
Was mir Anlass gab, flugs nach diesem Mann zu recherchieren, war nicht etwa die Fragerunde selbst, sondern ein Kommentar, der darunter zu lesen und somit auch in Google sichtbar war.
„Hallo Hr.Dr. […] Meine Frage an sie, ich bin vor c.a 2 Jahren an einer CCI(instabilen hws) erkrankt und habe eine Atlas Therapie nach Arlen gemacht, und diese hat mir wirklich sehr geholfen und auch meine kopfgelenke besser stabilisiert ! Allerdings haben bei mir die Alaria Bänder etwas abbekommen, und aus diesem Grund habe ich immer noch sehr diffuse Zustände unter anderem auch Schwindel Tinitus, gangunsicherheit, sprachfindungsstörung und vieles mehr! Meine Frage lautet an sie,ist es möglich mit dem faceformer meine Beschwerden zu lindern ? […]“
Seine Antwort:
„Arlen Behandlung ist eine spezielle Form der Chiropraktik, gilt aber als weniger gefährlich. Ich sehe jedoch durchaus Risiken, weil der Krafteinsatz bei den Impulsbewegungen unterschätzt wird. Insgesamt sollen sich nervöse Reizmuster aus der Nackenregion umstellen, was aber ohne geübte Umstellung von Bewegungsmustern kaum vorstellbar ist. […]. Mit der FaceFormer Therapie tonisieren wir die kopfbalancierende Muskulatur. Zungenbeinmuskulatur, Atemmuskulatur und die dazu komplementären Funktionen. Um das zu erreichen müssen Sie die FaceFormer Therapie anwenden […]. Viel Erfolg und liebe Grüße Dr. Klaus Berndsen“
Was ist ein FaceFormer?
Ein FaceFormer ist ein kleines Trainingsgerät, das entwickelt wurde, um die Muskulatur von Mund, Rachen- und Gesicht zu kräftigen und auszubalancieren. Das Ziel der FaceFormer-Therapie ist die Harmonisierung der Kieferstellung und der Muskelfunktionen, die für Kauen, Schlucken, Sprechen, Atmung, Mimik und Zahnstellung von Bedeutung sind. Klingt gut, oder? Aber das heißt ja bekanntlich noch nichts.

Wer nicht wagt…
Wart ihr auch schon mal bei einem Therapeuten oder Arzt oder auf einer vielversprechenden Internetseite und ließt euch überzeugen, irgendeine überteuerte Prozedur über euch ergehen zu lassen, weil GENAU DAS UND NICHTS ANDERES die Lösung sei? Und hat es was gebracht? (Schreibt mir das ruhig mal in die Kommentare oder per Mail.)
Bei mir oftmals nicht (siehe zum Beispiel hier). Aber das heißt nicht, dass Neues keine Chance verdient.
Der FaceFormer liegt schon eine Weile in meiner Schublade, zwischen Hydroxocobalamin-Ampullen, Arnika-Salbe und Vitaminkapseln. Ich bin zwar immer für neue Erfahrungen zu haben, doch manchmal brauche ich Zeit, den passenden Anfang zu finden. Jetzt denke ich: Lass einfach mal loslegen! Aber nicht ohne vorher die eine oder andere brauchbare Information gesichtet zu haben.
Da gibt es immerhin eine Studie von Herget et al. (2012). Darin ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen FaceFormer-Therapie und einer Haltungsverbesserung der Rumpfes zu finden. Gar nicht mal schlecht. Doch drüber hinaus sieht es trist aus in der Studienlandschaft – wobei anzumerken ist, dass die Suche nach dem Begriff FaceFormer zwangsläufig im Sande verlaufen muss. Wer ein wenig graben möchte, nutze vielleicht eher „Intra-/extraoralen Trainingsgerät“ – Aber Vorsicht! Damit muss nicht zwangsläufig der FaceFormer gemeint sein.
Kopfbalance
Eine Sache ist mir ins Auge gesprungen, als ich hier auf der Suche nach guten Argumenten für den FaceFormer war.
„Ein wesentlicher Faktor, der sich auf die gesamte Körperstatik auswirkt, ist eine instabile Kopfbalance. Sie ist wahrscheinlich eine der Hauptursachen für Schmerzen im Nacken, Gesicht und Rücken. Der aufrechte Gang des Menschen erfordert ein balanciertes statisches System. Abweichungen davon, führen zu sichtbar starken Belastungen von Halswirbelsäule, Lendenwirbelsäule, Hüftgelenk und Knie. Tatsächlich belasten sie die gesamte Körperstatik. Muskeln, Sehnen und Gelenke passen sich der falschen Haltung und Bewegung an. Das Problem wird durch ständige Reizauslösungen (Trigger) aufrechterhalten und verschlimmert.“
Ist das so?
Hansson et al. (1987) fanden in der Tat, dass die Haltung des Kopfes mit Blick auf dessen Zusammenspiel mit dem Rumpf das Funktionieren der Halswirbelsäule beeinflusst. Auch Lippold et al. (2000) erkannten die Beziehungen zwischen kieferorthopädischen und orthopädischen Befunden, wobei Halswirbelsäulenprobleme die Mehrzahl negativer Auswirkungen ausmachten.
Die oben beschriebene Kopfbalance wird meiner Meinung nach aber sehr oft vernachlässigt. Liest oder hört man von Nackenproblemen, folgt sofort der Appell, ein umfangreiches und leider oft auch wahlloses Muskelaufbautraining zu absolvieren und zu dehnen, dehnen, dehnen, bis es ohne sich wiederholende Akutbehandlung durch Physiotherapeut, Osteopath oder Chiro nicht mehr geht. Kaum eine Spur davon, dass starke Muskeln erst einmal vernünftig bedient/koordiniert werden müssen.
Mir persönlich erscheint der Einsatz des FaceFormes dahingehend sinnvoll – mag es auch noch an bekräftigenden Untersuchungen mangeln. Aber auch Bauchgefühl zählt, oder? Wer er ähnlich sieht, kann den FaceFormer (Achtung Werbung!) übrigens hier zu sich nach Hause holen.
Übungen
Wie der FaceFormer anzuwenden ist, könnt ihr zum Beispiel hier nachlesen oder hier anschauen. Wichtig ist, dass gerade Instabilos das Training zu Beginn nicht in einen Wettkampf ausarten lassen. Viel bringt nicht viel – abgesehen von vielen Schmerzen im Gesicht. Deshalb habe ich erst einmal begonnen, den FaceFormer einfach nur in den Mund zu nehmen und die korrekte Haltung einzuüben:
- Kopf gerade in Verlängerung der Wirbelsäule ausrichten
- FaceFormer zwischen Lippen und Zähne setzen
- Zunge knapp hinter den oberen Schneidezähnen platzieren
- durch die Nase atmen
Allein das kann schon unheimlich anstrengend werden, sag ich euch!
Nach und nach kommt dann etwas mehr Druck durch die Lippen ins Spiel, so wie in der Anleitung beschrieben: Sechs Sekunde werden die Lippen zusammengepresst, sechs Sekunden Pause, wobei die Zunge ihre Position nie ändert. Bin gespannt, was meine Kopfgelenke dazu sagen.
Bis dahin bleibt mir nur, euch (sofern ihr Lust habt) und mir viel Erfolg beim Ausprobieren zu wünschen!
Fink M., Tschernitschek H., Stiesch-Scholz M., Wähling K. (2003). Kraniomandibuläres System und Wirbelsäule. Manuelle Medizin. 41, 476–480
Hansson T. et al. (1987). Einige biomechanische Relationen im Kopf-Hals-Gebiet. In: Hansson T. Funktionsstörungen im Kausystem. Hüthig.
Herget et al. (2012). Auswirkungen der Face-Former-Therapie auf die Oberkörperstatik. Manuelle Medizin. 50(3). 204-210.
Hosseinzadeh Nik, T., & Janbaz Aciyabar, P. (2011). The relationship between cervical column curvature and sagittal position of the jaws: using a new method for evaluating curvature. Iranian journal of radiology : a quarterly journal published by the Iranian Radiological Society, 8(3), 161–166. https://doi.org/10.5812/kmp.iranjradiol.17351065.3379
Kobayashi Y. & Hansson T.L. (1988) Auswirkung der Okklusion auf den menschlichen Körper. Phillip J Restaur Zahnmed. 5, 255–261.
Kopp et al. (2004). Initiale Therapie myogener Befunde im kraniomandibulären System mit einem konfektionierten intra-/extraoralen Trainingsgerät. 42, 55-62.
Lippold C. et al. (2000). Beziehung zwischen kieferorthopädischen und orthopädischen Befunden. Manuelle Medizin. 38, 346-350.
Mertensmeier, I., & Diedrich, P. (1992). Der Zusammenhang von Halswirbelsäulenstellung und Gebissanomalien [The relationship between cervical spinal posture and bite anomalies]. Fortschritte der Kieferorthopadie, 53(1), 26–32. https://doi.org/10.1007/BF02165142
Robinson, M. J., & Strachan, W. F. (1965). The relationship of tooth occlusion and position of the head in space to malfunction of the temporal mandibular joint. The Journal of the American Osteopathic Association, 64, 922–925.
Antje
Hallo Christin,
wenn man dann den FaceFormer im Mund hat – muss man dann noch irgendetwas machen?
Und merkst Du da eine Wirkung oder zumindest eine Reaktion im Nacken?
Liebe Grüße
christin
Müssen muss man gar nichts.
Du kannst natürlich sofort mit Übungen loslegen. Aber es gibt Erfahrungsberichte, in denen deutlich wird, dass ein schneller Trainingseinstieg ordentlich nach hinten losging. Auch ich musste am ersten Tag feststellen, dass dieses kleine Ding eine immense Wirkung haben kann. Darum würde ich aufgrund meiner Erfahrungen dazu raten, den Face-Former am ersten, vielleicht auch am zweiten Tag einfach nur ein paar Minuten bei aufrechter Haltung in den Mund zu nehmen und zu schauen, was passiert. Danach kann man ja ruhig loslegen und mit den Lippen Druck aufbauen (während die Zunge immer schön in ihrer vorgesehenen Position verharrt). Schön langsam vortasten, gucken, was es macht, dann wieder vortasten und so weiter. Ich merke tatsächlich schon ein paar Unterschiede. Von denen berichte ich ganz bald in einem kurzen Beitrag. 
Heike Klotz
Danke, ich werde mir morgen gleich einen bestellen. Kannst Du den Artikel noch bei Facebook posten – ich stelle das gerne in die Kopfgelenksgruppe rein.
Liebe Grüße aus dem nicht verschneiten Warstein (traurig – lach).
christin
Kann ich machen.
Dr. Klaus Berndsen
Die Empfehlung behutsam und mit wenigen Übungen zu starten ist genau richtig. Steigerung sollte nach und nach durch zufügen einer weiteren Übung erfolgen, bis 20 Wiederholungen erreicht sind. Danach kommt eine weitere (Zugübung) hinzu. Wiederum sukzessive steigern, bis 2.0 mal.Nach 3 Wochen wird der FaceFormer auch, zusätzlich zu den täglichen Übungen, auch nachts angewendet. Unbedingt auch die kostenlose FaceFormer Trainings App benutzen und FF Übungsanleitungen bei Yotube anschauen. Auch die spätere Einbeziehung der FF-Atemübungen sind wichtig. Wissen sollte man auch, dass mit der FF Therapie grundsätzliche Basisfunktionen, Ursachen, korrigiert werden. Die Wirkungen dazu sind durchaus wissenschaftlich dokumentiert. Nackenprobleme und verschiedene andere Störungen, die mit der FF-Therapie behandelt werden, sind lediglich Folgen gestörter Basisfunktionen, bzw. Symptome. Genau das ist der Grund, warum es nur vereinzelt Untersuchungen zu ganz spezifischen Symptomen gibt.
christin
Vielen Dank für die Ergänzungen! Ich werde im Verlauf weiter über meine Erfahrungen mit dem Face-Former berichten und diese dann nochmal aufgreifen. Für jetzt bin ich guter Dinge, etwas gefunden zu haben, was anscheinend nicht am Ziel vorbeiwirkt. Auf Anleitungen möchte ich jedoch lieber nur vorsichtig verweisen, denn wir Instabilos reagieren mitunter sehr empfindlich auf Neues. Wir müssen deshalb ganz genau abwägen, was wir ausprobieren und was nicht; doch im krassen Kontrast dazu stürzen wir uns mitunter auf jede noch so vielversprechende Therapieoption. Sobald ich für mich weiß, was der Face-Former mit mir macht, kann ich besseren Gewissens mehr dazu schreiben.
Nochmals vielen Dank!
Christin
Dr. Klaus Berndsen
Liebe Christine,
für die FaceFormer Therapie benötigt man ein etwas anderes Grundverständnis. Sie stütz sich allein auf neurowissenschaftliche Ansätze, wobei implizites oder auch motorisches Lernen im Vordergrund steht. Geübt werden vorrangig die elementarsten Funktionen des Menschen, atmen und schlucken. Sie sichern das Überleben von der ersten bis zur letzten Sekunde. Im Prinzip müssten sie gar nicht geübt werden, denn jeder der lebt, realisiert sie ständig. Leider werden sie aber, hauptsächlich schon in früher Kindheit, durch äußere Einwirkungen verändert und solche Umstellungen (Kompensationen) verursachen Schwächungen und damit viele und ganz unterschiedliche Probleme und Erkrankungen, die sich durch ein ganzes Leben ziehen.
christin
Eine harmonische Wechselwirkung aller Teile des Körpers, also möglichst wenige Dysbalancen sind in der Tat ein gutes Ziel.
Ein ganzheitlicher Fokus ist also gerade bei Funktionsstörungen besonders dienlich. Und es ist auch nachvollziehbar, dass dabei gewisse, vielleicht aus dem Lot geratene „Basics“ und deren Kompensationen eine große Rolle spielen, nicht nur die Begradigung struktureller Auffälligkeiten. Entsprechende Ansätze sind mir deshalb sehr sympathisch, denn sie pressen nicht jedes meiner kaputten Einzelteile in eine feste Form, sondern helfen mir auf dem Weg zu meinem Optimum. So jedenfalls meine stille Hoffnung. Wie gesagt: ich bin sehr gespannt, aber vor allem neugierig und optimistisch. 
Liebe Grüße
Christin
Dr. Klaus Berndsen
Es funktioniert immer, wenn man konsequent dran bleibt. Viel Spaß und Erfolg
Philipp
Kannst du mal ein Update geben, was dir der Faceformer gebracht hat?
Überlege auch damit zu trainieren.
christin
Na klaro. Mach ich bald für alle.
Liebe Grüße,
Christin
N. A.
Würde mich auch sehr interessieren. Ich benutze den FaceFormer seit ca 40 Tagen. Es sind minimale Veränderungen im Bereich Kiefer zu spüren. Bin gespannt ob meine hws Instabilität, Benommenheit etc dadurch weg geht
christin
Es gibt einen neuen Beitrag zum FaceFormer.