Es ist schon einige Monate her, da unterhielt ich mich mit einer Mutter über ihren bevorstehenden beruflichen Wiedereinstieg. Es stellte sich heraus, dass diesem Thema größere Beachtung gebührt, als sie ein plumper Smalltalk erfüllen könnte.
Bildung =/ Bindung
Der besagte Tag war ein Donnerstag, kann ich mich erinnern. Die Mitte der Woche war somit erklommen und ich freute mich wie immer auf das Wochenende, wenn mein Mann uns auf dem Spielplatz Gesellschaft leisten würde. Unsere Tochter und ich spielten jedenfalls „Verstecke“ und während ich, wie so oft, den Himmel und die bunten Laubbäume um uns herum nach ihr absuchte, kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die ihren kleinen Sohn spazieren fuhr.
Sie erzählte, dass sie nicht besonders glücklich sei, da sie ihr neun Monate altes Kind sehr bald in eine Betreuung geben müsse.
„Mir bleibt nichts anderes übrig, ich möchte ja Geld verdienen … Außerdem ist es gut so“, beeilte sie sich zu ergänzen. „Immerhin ist ein Kindergarten ja eine Bildungseinrichtung.“
„Schade“, war mein erster Gedanke. Schade, dass sie glaubt, dies sei etwas Positives. Etwas, das die fehlende Nähe zu ihrem Baby vollständig ausbalancieren könnte. Schade, dass heutzutage fast jeder glaubt, Bildung wäre dasselbe wie Bindung.
Bevor sich unsere Wege trennten, blickte ich noch einmal in den Kinderwagen, aus dem die kullerrunden Augen eines kleinen Jungen leuchteten. Freudestrahlend riss er seinen Mund auf und zwei kleine Schneidezähnchen kamen zum Vorschein.
„Du kleiner Kerl hast noch nicht einmal alle Zähne und sollst schon ausgebildet werden“, dachte ich und schenkte ihm zum Abschied ein Lächeln.
Mama
Das einzige, was Babys und kleine Kinder wirklich brauchen, ist die Nähe zu ihren Eltern. Genauer gesagt zu Mama. Nichts auf der großen, weiten Welt ist wichtiger für sie und ihre Entwicklung.
Denn Mama kann etwas geben, das niemand sonst geben kann, egal, wie viel Mühe er sich gibt. Es ist etwas sehr Wichtiges: Sicherheit. Wird dieses Verlangen nicht erfüllt, machen unsere Kleinen die Erfahrung, dass ihre wichtigsten Bedürfnisse unbedeutend und ihre Versuche, sie erfüllt zu bekommen, umsonst sind. Was dabei herauskommt, sehen und erleben wir jeden Tag – oder hören es im Radio oder Fernsehen, wenn über Burnout und Depressionen in den besten Jahren gesprochen wird. Aus unsicheren Babys werden verunsicherte Erwachsene, die nicht wissen, was sie mit ihren Fähigkeiten anstellen sollen. Weil sie glauben, sie seien bedeutungslos.
Starke Frauen
Den Mamas kann und sollte man keine Vorwürfe machen. Denen bleibt schließlich nichts anderes übrig, als zu ihren hart erkämpften Posten zurückzukehren. Und nicht wenige wollen das ja auch. Sie wollen Karriere machen, wollen sich selbst beweisen, dass sie mehr als Mütter und Hausfrauen sind. Frauen zeigen heutzutage stärker denn je, dass sie trotz Familie mithalten können. Und es spricht ja auch nichts dagegen, am allerwenigsten ein schlechtes Gewissen. Denn es gibt schließlich „Bildungseinrichtungen“, wo die Kleinen „gefördert“ werden. Frühkindliche Bildung heißt das. Und eine Menge Eltern springen zielsicher auf diesen Zug auf, wenn auch hin und wieder nur aus Angst, ihn zu verpassen. Selbstverständlich klingt Bildung nicht verkehrt. Bildung wird geschätzt. Doch was nützt sie, wenn unseren Kleinen von Anfang an der Mut genommen wird, etwas damit anzufangen.
Bindung ist unerwünscht
Sobald Mütter sich aufgrund drohender Geldnot gezwungen fühlen, in den Beruf zurückzukehren, oder weil sie es möchten, merken sie, dass intensive Nähe zu ihren Kindern nicht mehr möglich ist. Obwohl sie diese eigentlich wollen. Andererseits ist das Bild einer Frau, die nicht arbeitet und stattdessen ihre Kinder hütet, von Ablehnung begleitet. Überall, wo man hinsieht, prangen Frauen in teurer Businesskleidung, während die Männer hinter den Herd verbannt werden. Das Bild des Vaters als Alleinverdiener ist heutzutage nicht nur nicht mehr möglich, sondern auch verpönt.
Ein Rückschritt aus diesem Fortschritt käme selbstverständlich nicht in Frage. Weder für die Karrierefrau, noch für jene, die gern bei ihren Kindern bleiben und den Job an den Nagel hängen würde, jedoch Geld verdienen muss. Keine von ihnen möchte ihr Potential für die verstaubte Hausfrauenrolle vergeuden.
Doch womöglich täte solch ein Rückschritt unseren Kindern gut. Und vielleicht sogar den Frauen, damit manche von ihnen sich nicht länger beweisen wollen müssen. Es müsste ja nicht automatisch bedeuten, sie in Fesseln zurück in die Küche zu treiben. Womöglich gäbe es ja einen Mittelweg. Womöglich einen, bei dem weder die Bedürfnisse der Kinder, noch jene der Eltern zu kurz geraten.
(Foto: Anthony – Pexels.com)
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