In einem ihrer Bücher behauptet die weltberühmte Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross etwas sehr Eigenartiges: „Auch möchte ich darauf hinweisen, daß es ein Segen für viele ist, Krebs zu haben.“


Wer Krebs hat, wird nicht vor die Tür gestellt

Schon im nächsten Satz beschwichtigt Kübler-Ross jene unter ihren Lesern, die sich provoziert fühlen. Sie beschreibt, dass die mit einer Krebserkrankung einhergehenden Leiden gewiss nicht verharmlost werden sollten, doch demgegenüber dürfte jedermann zustimmen, dass es weitaus Schlimmeres gibt.

Für mich steckt in dieser kleinen Passage sehr viel Wahrheit. Zwar leide ich nicht an Krebs, doch genau das ist der Punkt: Wer Krebs hat, wird nicht vor die Tür gestellt wie jemand mit unsichtbaren Symptomen, sondern durchläuft einen Marathon vielfältiger Untersuchungen gefolgt von kriegsmaschinerieartigen Krebsbekämpfungsprozeduren. Ich behaupte nicht, dass sowas besser wäre als von Ärzten ignoriert zu werden, so, wie es mir jahrelang ergangen ist. Denn Fakt ist: Ich kann meiner hartnäckigen Erkrankung viel Gutes zurechnen. Zum Beispiel mein Gefühl für Selbstverantwortung, meine Dankbarkeit und somit auch meine Zufriedenheit. Trotzdem wäre es eine Lüge, würde ich behaupten, mir nicht hin und wieder mehr ärztliche Aufmerksamkeit zu wünschen. Darum stelle ich mir dann und wann vor, wie ich meine Erkrankung gegen den Krebs von jemand anderes tausche. Selbst „handfeste“ Symptome, mit denen jeder etwas anfangen kann, wären doch schon was.

Tauschgeschäft

Ich denke dabei an Schmerzen. Schmerz ist von allen nur denkbaren Symptomen das einzige, was ich nicht habe. Manchmal wünschte ich, es wäre andersrum, weil ich mir einbilde, Schmerz gut kontrollieren und ertragen zu können – zumindest besser als Schwindel und Stromstöße und dergleichen.

Vor etwa einem Jahr vertraute ich einem Arzt – genaugenommen dem, der meine Diagnose stellte – diese Gedankengänge an und er sagte: „Geben Sie Acht, was Sie sich wünschen!“ – womit er natürlich recht hat. So ein Tauschgeschäft kann ebenso gut nach hinten losgehen, insbesondere da Schmerztabletten einen problemlos dazu verleiten können, sich seiner Selbstverantwortung zu entledigen – ungefähr so, als würde man schreiende Kinder vorm Fernseher parken (was aber hin und wieder besser als ein Tobsuchtsanfall ist).

Letztendlich muss ich die Dinge so nehmen, wie sie liegen. Ich mache das Beste draus und lebe weiter und lebe so gut es geht.