Ich bin den Tränen nah. Gerade erhielt ich eine Nachricht von Michael, einem Papa von drei kleinen Kindern und Ehemann, der seit zehn Wochen ein ausgewachsenes CCI-Martyrium durchmacht. Er bat mich, seine Geschichte mit euch zu teilen, damit sein Schicksal den größtmöglichen Sinn bekommt. Vielleicht wird sie von Menschen gesehen und gehört, die dadurch motiviert sind, neue Auswege aus dieser Hölle zu finden. Bitte helft mir dabei, Michaels Bitte zu erfüllen.
Hallo Christin,
es tut mir so Leid, dass ich dich mit meinen Problemen anschreibe, aber ich bin so am Ende.
Bis vor zehn Wochen war mein Leben vollkommen perfekt. Ich bin Vater von drei Kindern (vier, sechs und acht Jahre alt), glücklich verheiratet und hatte einen tollen Job an einer Grundschule. Vor zehn bis zwanzig Jahren hatte ich mal zwei heftige Autounfälle und seitdem auch einen schönen Muskelhartspann und eine Steilstellung der HWS, aber bis auf gelegentlichen Schwindel nie Probleme.
Vor zehn Wochen war ich beim Zahnarzt und die Dame dort klappte das Kopfteil des Behandlungsstuhles herunter, als ich drauf lag, ohne mich zu warnen. Er krachte kurz im Hals, ich war sauer, aber sonst war meiner Meinung nach nichts passiert. Über die nächsten Tage entwickelte sich eine extreme Verspannung, sowie Sehpropleme, Schwindel, Knacken in der HWS, und so ziemlich alle Symptome von instabilen Kopfgelenken.
Laut Physio sollte ich mittels Übungen die Verspannungen lösen. Nach drei Wochen lösten sich diese auch auf einen Schlag und meine HWS fühlte sich an wie Wackelpudding. Dazu traten schlagartig wechselnde Ausfälle diverser Hirnnerven auf – ich bin direkt ins Krankenhaus gefahren. Das örtliche Krankenhaus machte Röntgenbilder und meinte, ich hätte zu viel Stress. Hausarzt und Orthopäde konnten mit mir auch nix anfangen. Laut Therapeut sollte ich Übungen zum Muskelaufbau machen und im Internet fand ich dann in meiner Verzweiflung diverse Seiten zum Thema Kopfgelenke. Das passte alles zu 100 Prozent zu meinen Symptomen. Dort fand ich viele Tipps von Leuten die gute Erfahrungen mit Halskrausen gemacht haben. Da Autofahren und im Bett liegen für mich inzwischen die Hölle waren, habe ich mir eine Halskrause zugelegt und es war damit wirklich viel besser. Was konnte ich noch tun?!
Niemand glaubt mir. Ich machte also Übungen mit Kopfkreisen, die alles noch schlimmer machten und ließ auf eigene Kosten ein MRT der HWS machen. Hier wurde mir gratuliert, da ich ja komplett gesund bin. Ich verbrachte die weiteren Tage mit Internetrecherchen, um einen Ausweg zu finden. Inzwischen hatte ich innerhalb von vier Wochen zwanzig Kilo abgenommen, da ich keine Essen die Speiseröhre runter bekomme (bis auf ein bisschen Joghurt) – vermutlich Hirnnervenprobleme da mein Geschmackssinn auch meistens weg ist. Ein weiterer Arzt (absoluter Spezialist), den ich konsultierte, meinte zu mir: „Alles viel zu diffus, kommt alles vom Stress, fahren sie in den Urlaub.“ „Also gut“, dachte ich, „er ist der Experte“ – also sind wir also Anfang diesen Monats mit den Kindern nach Belgien ans Meer gefahren.
Am Abend, bevor wir los gefahren sind, habe ich noch fleißig meine Bewegungsübungen mit Kopfkreisen im Liegen gemacht. Hierbei knackte es oben am Atlaswirbel rechts und ich merke, wie sich dort eine Art „Schlauch verschob“ und einklemmte. Ich schreckte sofort auf und bekam höllische schmerzen im Nacken und ein Kribbeln in der rechten Kopfhälfte. Geschlafen habe ich natürlich kaum, da ich ein durchgehendes Brennen und ein Pochen an der rechten HWS und am Atlaswirbel verspürte und dieses Pochen auch seitdem im rechten Ohr habe und höre. Was sollte ich nun also tun, mir glaubt eh keiner, und den Familienurlaub wegen meiner Psyche absagen?! Also sind wir ab in den Urlaub am nächsten Morgen.
Zum Glück ist meine Frau gefahren, da ich vor Schmerzen kaum im Auto sitzen konnte. Als wir in Belgien angekommen sind, bin ich aus dem Auto gestiegen und konnte mich nicht auf den Beinen halten. Schlimmste Verspannungen. Ich sah Doppelbilder, extremer Drehschwindel, Lähmung und Taubheit vom linken Arm und Probleme mit dem Stehen auf den Beinen. Meine Familie rief sofort den Rettungswagen. Die Kinder schrien vor Angst und Panik und ich wusste, ich würde jetzt sterben.
Die Fahrt im Krankenwagen war die Hölle, die Schmerzen am Atlas, wo was auch immer eingeklemmt war, waren kaum auszuhalten. Als ich im Krankenhaus ankam, wurde ein CT vom Kopf und der HWS gemacht. Alles prima, nix zu sehen. Ich lag fünf Stunden in der Notaufnahme. Währenddessen knackte es oben am Atlas, wo die Einklemmung ist, dieser Schlauch am Atlaswirbel rutschte auf die Seite und meine Situation verbesserte sich.
Mir wurden Schmerzmittel (Ibuprofen und Paracetamol) und ein Mittel zur Muskelentspannung verschieben. Also sind wir dann aus dem Krankenhaus in unseren Urlaubsort gefahren. Der Schmerz war bedeutend besser und die neurologischen Probleme auch. Ich habe mit vielen Schmerzmitteln ganz okay geschlafen und am nächsten Mittag das Mittel zur Muskelentspannung genommen. Danach brach die absolute Hölle los.
Meine Halswirbelsäule versagte komplett und ich musste diese mit meinen Händen stützen! Ich merkte, wie sich meine Wirbel aus ihren Positionen lösten und durch die Gegend rutschten. Meine komplette Wirbelsäule brannte wie Feuer. Ich konnte kaum sehen, alles sah dunkelblau aus, ich bekam Atemnot, alles drehte sich im Kreis. An diversen Stellen der oberen HWS fühlte es sich so an, als würde sich Bänder lösen. Dann löste sich an der linken Seite des Atlas eine Art Band und dort klemmte sich ein zweiter Schlauch ein. Furchtbare Schmerzen am Atlaswirbel.
Ich schnürte mir meine Halskrause um. Dies half etwas. Meine Familie packte mich ins Auto und ab zurück ins Krankenhaus. Dort musste ich erneut geraume Zeit in der Notaufnahme warten. Ich merkte, wie ich langsam ein Helmgefühl und ganz leichte Verspannungen am Kopf bekam. Es wurde wieder besser. Die Schläuche am Atlaswirbel verschoben sich wieder. Als ich dann zur CT-Angio der HWS gebracht wurde, ging es mir schon wieder ganz passabel. Was weiterhin da war, waren nun diese Schmerzen am Atlaswirbel, wo an beiden Seiten eine Art Schlauch eingeklemmt war und wo es an beiden Seiten entlang der HWS brannte, und dieses Pochen an nun beiden Seiten und in den Ohren. Ich sah mich schon irgendwie mit kaputter Halsschlagader auf dem OP-Tisch liegen, aber was soll ich sagen? Wie immer alles in Ordnung. Die Ärzte schauten mich böse an und ich durfte wieder gehen. Wir sind dann wieder zurück ins Ferienhaus gefahren.
Die nächsten Tage waren die Hölle. Ich konnte nachts maximal zwei Stunden schlafen, die ganze Zeit knackte diese „Schläuche“ in meinem Nacken und zusätzlich hatte ich von jetzt auf gleich schlimme Atemaussetzer im Schlaf. Sowas war mir völlig neu. Je nachdem, wie viel oder wenig Verspannungen ich an diesen Tagen im Nacken hatte, waren meine Symptome von mild bis katastrophal. Wenn die Verspannungen am Atlaswirbel waren, konnte ich fast einen normalen Tag verbringen.
Leider war an Autofahren nicht zu denken, da ich dann immer so höllische Schmerzen am Atlaswirbel von der Einklemmung hatte und immer wieder diverse neurologische Ausfälle. Zum Ende des Urlaubs versuchte ich abends meine HWS mittels Muskelkraft irgendwie selbst zu verspannen, um die Rückfahrt irgendwie zu überstehen. Dies gelang auch ein wenig und ich ging absolut fertig ins Bett. Irgendwie hoffte ich, dass man mir in Deutschland doch irgendwie helfen kann.
Am nächsten Morgen wachte ich mit mega Kopfschmerzen auf und das Bett fühlte sich an, als wäre in einem Schiff bei starkem Seegang. Ich schreckte also wie fast jeden Morgen in den letzten Wochen schweißgebadet auf und ging die Treppe des Ferienhauses herunter. Als ich unten ankam, verhakte sich das, was auch immer rechts an meinem Atlas eingeklemmt war, verrutschte nach draußen und zog an irgendwas im inneren meines Kopfes wie an einer Schnur. Alles drehte sich sofort, und ich fiel um. Wieder kam ich mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus.
Diesmal war mein linker Arm und mein linkes Bein richtig gelähmt und taub. Ich konnte auf einem Auge kaum noch was sehen und das Auge tränte. Mein Augenlid hing herunter und zuckte und meine Pupille war total geweitet und reagierte nicht mehr richtig. Die neurologische Assistenzärztin im Krankenhaus meinte sofort, zu 100 Prozent Schlaganfall. Doch dann kam die Oberärztin vom Anfang der Woche, beugte sich über mich, lächelte und sagte zu mir: „Sie haben doch nichts, Sie kommen jetzt auf ein Zimmer Stationär und dann machen wir ein paar Tests.“ Da lag ich also im Zimmer. Die eingeklemmten (von mir inzwischen gemutmaßten Arterien) Dinger verrutschten im Liegen wieder ein wenig. Es dauerte ein paar Stunden bis die meisten Symptome wieder weg waren. Geblieben sind mir ein Tremor in der linken Hand und die Atemaussetzer im Schlaf.
Nach diversen neurologischen Untersuchungen auf z.B. Epilepsie wurde ich am nächsten Tag wieder entlassen. Kerngesund. Wir brachen den Urlaub ab und fuhren nach Hause – die schlimmste Autofahrt meines Lebens. Als wir die deutsche Grenze überquert hatten, fuhren wir direkt in die nächste Klinik. Dort wurde dann wieder ein CT von Kopf und Hals gemacht. „Alles ok, Sie haben psychische Probleme“, hieß es wieder. Also ab nach Hause.
Inzwischen hatte ich das Gefühl, das meine Wirbel nur noch knackten und sich den ganzen Tag hin und her bewegen. Das Brennen und Pochen an den mutmaßlichen „Arterien“ im Nacken war zeitweise kaum auszuhalten. Ich ging dann im meiner Verzweiflung Anfang der Woche zu meinem Hausarzt. Als dort mein Tremor der linken Hand, meine Probleme mit dem Auge und zwei, drei andere offensichtliche Symptome gesehen wurden, wurde ich direkt vom Arzt in die nächste Uniklinik geschickt. Die Fahrt dahin habe ich kaum überstanden.
Dort in der Notaufnahme spracht die Neurologin zwei Sätze zu mir, sah im PC auf der Karte meiner Krankenkasse scheinbar die psychische Diagnose und fragte mich, wobei sie mir denn helfen sollte – wäre ja eh alles psychisch bei mir. Jetzt bin ich also wieder zu Hause. Endgültig. Oben an meiner HWS merke ich, wie meine Kopfdurchblutung je nach Verspannungen oder Kopfbewegung abgeschnürt wird. Dann folgen erst Kopfkribbeln, Doppeltsehen, Taubheit und Lähmungen von Armen und Beinen, extremer Schwindel, Schwarz sehen vor Augen und mehr.
Nach Minuten bis Stunden löst sich das ganze im Nacken dann wieder etwas und es wird wieder besser. Ich erlebe hier nun ein buntes Durcheinander von teilweise schrecklichen Symptomen. Ich habe in den letzten Tagen über dreißig Neurochirurgen und Fachärzte in ganz Deutschland angerufen oder angeschrieben, auch die Liste mit hilfreichen Adressen für Kopfgelenke haben ich angeschaut und ein paar Ärzte kontaktiert. Leider wohne ich im Raum Köln und hier war keiner zu finden, der mir bereit war, auch nur irgendwas meiner Geschichte zu glauben.
Ein Upright-MRT kann ich zwar noch machen, aber selbst wenn ich die Fahrt überstehe, will sich sowas doch eh kein Mediziner in Deutschland anschauen. Ich bin nun 44, verlasse das Haus in den letzten Tagen nicht mehr, weil ich mir im Nacken die Arterien abklemme, sobald ich mich bewege. Ich habe drei kleine Kinder und eine tolle Frau. Alle haben große Angst. Jeden Abend denke ich, wenn die Arterien wieder in meinem Nacken krachen, und die Facettenglenke blockieren: „Das war es jetzt…“ Dann gehe ich noch einmal weinend in die Zimmer meiner schlafenden Lieben und verabschiede mich von ihnen.
Mein Name ist Michael, ich wohne in Kerpen bei Köln. Ich habe keine 100.000 Euro, um nach Barcelona oder nach Amerika zu fahren bzw. zu fliegen. Würde ich in meinem Zustand auch nicht schaffen. Egal, wem ich meine Geschichte erzählt habe, der hält mich für total irre und verrückt. Ich weiß, dass mir in Deutschland keiner helfen kann und will, da es keine Hilfe gibt. Ich weiß, dass ich entweder demnächst an einem Schlaganfall aufgrund der temporär eingeklemmten Wirbelarterien oder aufgrund eines Risses dieser Wirbelarterien sterben werde. Mir ist bewusst, dass weder du, noch jemand in irgendeinem Forum helfen kann, selbst wenn ihr es gerne möchtet.
Ich bedanke mich vorab bei dir und euch für das Lesen meiner doch leider sehr langen E-Mail, da ich sonst niemanden habe, dem ich meine Erlebnisse der letzten Wochen erzählen kann und der mir auch nur ansatzweise glaubt. Ich würde mich freuen, wenn du diese leider zu 100 Prozent wahre Geschichte mit allen Menschen teilst, egal mit wem. Vielleicht war das Ganze ja nicht umsonst und in nicht allzu ferner Zukunft liest ein junger, aufgeschlossener Mediziner meine Geschichte und findet eine Lösung für uns alle. Ich meine, die Erde ist keine Scheibe und wir waren auf dem Mond. Da werden wir diese Krankheit auch irgendwann in den Griff bekommen. Ich glaube ganz fest daran.
Auch wenn ich mich wiederhole, bitte teile meine Story. Ich sitze hier zu Hause und möchte nicht, dass alles umsonst war. Ich möchte noch etwas bewegen, auch wenn es erst in ferner Zukunft ist. Nochmals vielen Dank für’s Lesen und alles erdenklich Gute an alle.
Liebe Grüße, Michael
Ich habe Michaels Text zur besseren Lesbarkeit korrigiert und an wenigen Stellen leicht verändert.
Bild: Michael
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