Guter Schlaf ist essentiell für die physische und psychische Gesundheit, da er Erholung und Reparaturprozesse im Körper fördert. Er verbessert die kognitive Funktion, das Immunsystem und das allgemeine Wohlbefinden. Für Wackelhälse ist Schlaf ein bedeutsamer, jedoch oft unterschätzter und zugleich schwer erreichbarer Therapiebaustein. Das wird sich ab jetzt hoffentlich ändern.


Schlaf ist wie Nahrung und Wasser

Nach dem Ersten Weltkrieg umrundete eine besonders schwere Form des Influenza-Virus, die Spanische Grippe, den Globus und tötete weltweit zwischen 50 und 100 Millionen Menschen. Einige der Überlebenden erlitten neurologische Schäden, bei anderen zerstörte das Virus das Schlafzentrum im Gehirn, was dazu führte, dass sie überhaupt nicht mehr schlafen konnten. Innerhalb von zwei Wochen verstarben diese Menschen, womit der erste wissenschaftliche Beweis erbracht war, dass Schlaf für das Überleben genauso wichtig ist wie Nahrung und Wasser.

Zugegeben, diese schicke Einleitung ist geklaut – und zwar von Dr. Sarah Myhill, einer renommierten Ärztin aus Großbritannien, die sich auf das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) und verwandte Erkrankungen spezialisiert hat. Ihr Beitrag zum Thema Schlaf ist auf ihrer sehr interessanten (und völlig überfrachteten) Internetseite zu finden, wo er aber leider unerbittlich untergeht. Aber genau das sollte einem so wertvollen Beitrag über Schlaf nicht passieren. Er gehört so übertrieben wie nur möglich in Szene gesetzt!

Schlaf und wozu er gut ist

Das durchschnittliche tägliche Schlafbedürfnis beträgt neun Stunden, idealerweise zwischen 21:30 Uhr und 6:30 Uhr, also während der Dunkelheit. Eine Stunde Schlaf vor Mitternacht ist doppelt so wertvoll wie eine danach, betont Myhill, da das menschliche Wachstumshormon während der Schlafstunden vor Mitternacht produziert wird. Und das wiederum hat Einfluss auf folgende wichtige Prozesse:

Physische Erholung, Heilung und Energieproduktion:

  • Zellreparatur und Wachstum: Während des Tiefschlafs (NREM-Schlaf) repariert der Körper Zellen, regeneriert Gewebe und baut Muskeln auf. Wachstumshormone werden vermehrt ausgeschüttet, was besonders wichtig für Kinder und Jugendliche ist.
  • Immunsystem: Schlaf stärkt das Immunsystem, indem es die Produktion von Zytokinen erhöht, die zur Bekämpfung von Infektionen und Entzündungen notwendig sind.
  • Energieproduktion: Mitochondrien sind für die Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) verantwortlich, dem primären Energieträger in den Zellen. Ausreichender Schlaf unterstützt die Mitochondrien bei der effizienten ATP-Produktion.
Schlaf liefert uns Energie. (Bild: wirbelwirrwarr)

Homöostase:

  • Autophagie und Mitophagie: Schlaf fördert Prozesse wie Autophagie und Mitophagie, bei denen beschädigte Zellbestandteile und Mitochondrien abgebaut und recycelt werden. Diese Prozesse sind wichtig, um die zelluläre Homöostase aufrechtzuerhalten und die Funktion der Mitochondrien zu optimieren.

Freisetzung von Antioxidantien:

  • Erhöhte Produktion von Antioxidantien: Während des Schlafs, besonders während der Tiefschlafphasen, erhöht der Körper die Produktion von Antioxidantien wie Glutathion, Superoxiddismutase (SOD) und Katalase. Diese Enzyme spielen eine zentrale Rolle bei der Neutralisierung freier Radikale.
  • Neutralisierung freier Radikale: Antioxidantien arbeiten, indem sie freie Radikale unschädlich machen, bevor diese Zellschäden verursachen können. Dieser Schutz ist entscheidend für die Integrität und Funktion der Mitochondrien, da Mitochondrien besonders anfällig für oxidative Schäden sind.

Kognitive Funktionen und Gehirnreinigung:

  • Gedächtniskonsolidierung: Während des REM-Schlafs werden Informationen und Erlebnisse des Tages verarbeitet und im Langzeitgedächtnis gespeichert. Dies verbessert das Lernen und die Gedächtnisleistung.
  • Gehirnreinigung: Im Schlaf schrumpfen die stützenden Gehirnzellen um etwa 60%, wodurch der Platz für das glymphatische System freigemacht wird. Dieses System entfernt Abfallprodukte und Toxine, einschließlich der Amyloid-Proteine, die mit Alzheimer in Verbindung stehen.
Im Schlaf wird das Gehirn von Schmutz befreit. (Bild: wirbelwirrwarr)

Emotionale und psychische Gesundheit:

  • Stimmung und Stressbewältigung: Ausreichender Schlaf reguliert Emotionen und verbessert die Stimmung. Schlafmangel kann zu Reizbarkeit, Angst und Depression führen.
  • Kognitive Leistungsfähigkeit: Schlaf ist entscheidend für die Konzentration, Problemlösung und Entscheidungsfindung.

Hormonhaushalt:

  • Hormonregulation: Schlaf hilft, den Hormonhaushalt zu regulieren, einschließlich der Hormone, die Hunger und Sättigung steuern (Leptin und Ghrelin). Dies kann das Risiko von Übergewicht und Stoffwechselstörungen verringern.

Kardiovaskuläre Gesundheit:

  • Herz-Kreislauf-System: Guter Schlaf senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da er den Blutdruck reguliert und Entzündungen reduziert.

Schlaf ist also ein wesentlicher Prozess, der viele Aspekte unserer Gesundheit beeinflusst. Er fördert die physische Erholung, unterstützt kognitive Funktionen, stärkt das Immunsystem und hilft bei der emotionalen Regulierung. Regelmäßiger, erholsamer Schlaf ist daher unerlässlich für ein gesundes Leben und ein wichtiger Moderator gesundheitlicher Interventionen.

Ich kann nicht schlafen!

Augen zu und schlafen – schön, wenn es so einfach wäre, oder? Doch viele Menschen mit instabiler Halswirbelsäule können das nicht. Bei ihnen ist der Sympathikus, der Teil des autonomen Nervensystems, der für Alarmbereitschaft und Stressreaktionen verantwortlich ist, nahezu ununterbrochen aktiv und sorgt dafür, dass das Zubettgehen zur Tortur wird.
Endlich eingeschlafen zu sein bedeutet aber keineswegs Jubel. Denn oft dauert es nicht lange und die Augenlider springen wieder auf, obendrein ist das Bettlaken durchgeschwitzt und der Wecker zeigt eine Uhrzeit, bei der man sich fragt, wo genau im Leben man falsch abgebogen ist. Doch zum Denken ist der Kopf zu ausgelaugt, zu schwer- nur eines ist glasklar: Der erholsame Schlaf scheint eine ferne Illusion zu sein.

Sympathikusstress ist mit Hypoglykämie (Unterzuckerung) verbunden, eine von Kuklinski und Myhill immer wieder genannte Ursache von Schlafstörungen. Aber die Beziehung ist komplex und kann in beide Richtungen wirken.

Hypoglykämie als Folge von Sympathikusstress

Wenn der Sympathikus aktiviert wird, schüttet der Körper Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin aus. Diese Hormone haben mehrere Auswirkungen, darunter die Mobilisierung von Energiereserven, um den Körper auf eine schnelle Reaktion vorzubereiten.

  1. Stresshormone und Blutzucker: Adrenalin und Noradrenalin erhöhen kurzfristig den Blutzuckerspiegel, indem sie die Freisetzung von Glukose aus den Glykogenspeichern in der Leber stimulieren. Bei chronischem Stress kann jedoch der kontinuierliche Abbau von Glykogenspeichern dazu führen, dass diese erschöpft werden, was schließlich zu Hypoglykämie führen kann.
  2. Erhöhter Energieverbrauch: Sympathikusstress erhöht den Energieverbrauch des Körpers, was zu einem schnelleren Abbau der verfügbaren Glukose führt und somit das Risiko einer Hypoglykämie erhöht, insbesondere wenn keine ausreichende Nahrungszufuhr erfolgt.

Sympathikusstress als Folge von Hypoglykämie

Umgekehrt kann Hypoglykämie selbst eine Stressreaktion des Sympathikus auslösen. Wenn der Blutzuckerspiegel sinkt, reagiert der Körper, um sicherzustellen, dass das Gehirn, das stark von Glukose abhängig ist, weiterhin ausreichend versorgt wird.

  1. Stressreaktion bei niedrigem Blutzucker: Wenn der Blutzuckerspiegel fällt, schüttet der Körper Adrenalin aus, um den Blutzuckerspiegel wieder zu erhöhen. Diese Adrenalin-Ausschüttung ist Teil der Stressreaktion des Sympathikus und kann zu Symptomen wie Zittern, Schwitzen, Herzklopfen und Angstgefühlen führen.
  2. Aufwachen in der Nacht: Wackelhälse und unterbrochene Nächte scheinen zusammenzugehören. Typischerweise endet der Schlaf für Betroffene zwischen 2 und 3 Uhr nachts, wenn der Blutzuckerspiegel stark abfällt und der Körper ihn wieder stabilisieren muss. Dies geschieht durch die Freisetzung von Glykogen aus der Leber oder durch die Umwandlung von kurzkettigen Fettsäuren in Glukose. Diese Fettsäuren werden im Darm von Bakterien produziert, die Ballaststoffe und unverdauten Stärken fermentieren. Die Produktion dieser Fettsäuren erreicht etwa drei Stunden nach einer Mahlzeit ihren Höhepunkt und hilft, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Zwischen 2 und 3 Uhr nachts sind jedoch oft nicht genügend kurzkettige Fettsäuren vorhanden, um den Blutzuckerspiegel zu stützen. Wenn der Blutzucker zu schnell abfällt, reagiert der Körper mit einer Adrenalin-Ausschüttung, um den Blutzuckerspiegel zu erhöhen. Diese Adrenalinreaktion kann jedoch den Schläfer aufwecken und zu Schlaflosigkeit führen.

Hypoglykämie kann also sowohl eine Folge von Sympathikusstress sein als auch diesen auslösen. Bei chronischem Stress können die Energiereserven des Körpers erschöpft werden, was zu niedrigen Blutzuckerspiegeln führt. Umgekehrt kann ein niedriger Blutzuckerspiegel eine Stressreaktion des Sympathikus auslösen, um den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren. Beide Zustände können sich also gegenseitig beeinflussen und verschärfen, was zu einem Teufelskreis aus Stress und Hypoglykämie führen kann. Und all das wiederum kann Schlafstörungen verursachen. Klingt logisch, oder?

Gut zu wissen, was Kuklinski (2018) dazu zu bedenken gibt: „Schon allein eine verkürzte Schlafdauer erhöht den Sympathicus-Tonus am Folgetag. Bei Gesunden wurde bei Schlafdefiziten eine morgendliche Engstellung der Arterien nachgewiesen. Die Weitstellfunktion ist um 40% vermindert und bessert sich erst am Vormittag. Um wie viel stärker muss die Enge der Blutgefäße nach einer fürchterlichen Nacht sein, auch die der Herzkranzgefäße?“

Zucker und andere Tricks für gesunden Schlaf

Nun wird auch verständlich, was es mit dem berühmt-berüchtigten kuklinski’schen Spätstück in Form von Traubenzucker auf sich hat. Letztendlich stellt es die Zuckerversorgung des Gehirns sicher und verhindert ein zuckerreservenvertilgendes Überschießen des Sympathikus. Doch es gibt mehr Tricks, um den Schlaf wieder erholsam werden zu lassen. Und dafür bediene ich mich einfach wieder bei Dr. Myhill:

  • Physische Voraussetzungen schaffen: Das Erste, was zu tun ist, ist die grundlegenden physischen Voraussetzungen für guten Schlaf zu schaffen. Das Kopfende des Bettes sollte um 15-23 cm angehoben werden. Denn nachts schrumpfen die stützenden Gehirnzellen um 60%, um Raum für das glymphatische System zu schaffen, das dafür verantwortlich ist, Gehirntoxine zu entfernen (siehe oben). Das Anheben des Kopfendes des Bettes erleichtert diesen Prozess, der während des Tiefschlafs stattfindet.
  • Routine: Findet eine regelmäßige Abendroutine, die um 21 Uhr losgehen sollte, sodass ihr spätestens 21:30 Uhr schlafen geht!
  • Schlafwellen: Um die natürlichen Schlafwellen optimal zu nutzen, ist es hilfreich, die Schlafzyklen zu erkennen und darauf zu achten, wann man schläfrig wird. Schlaf tritt oft in 90-Minuten-Intervallen auf, das heißt, wenn man eine Müdigkeitswelle verspürt, sollte man versuchen, innerhalb dieser Phase einzuschlafen.
  • Schlaftraum: Sucht euch einen Schlaftraum, um das Unterbewusstsein darauf zu trainieren, den Schlafmodus einzuschalten! Das klappt übrigens wirklich sehr gut. Ich habe auch einen Schlaftraum.
  • Schnarcher raus: Schlaft nicht mit jemandem zusammen, der schnarcht – der muss ausquartiert werden!
  • Spätstück: Kuklinski empfiehlt Traubenzucker, Myhill fettige, kohlenhydratarme Snacks, wie Nüsse, um nächtliche Hypoglykämie zu verhindern. In einer Studie von Teitelbaum et al. (2006) an 41 CFS-Patienten wurde übrigens Zucker in Form von d-Ribose erfolgreich auf die therapeutische Probe gestellt, doch danach gab es keinerlei weitere Anstrengungen.
  • Weniger trinken: Falls ihr oft durch Harndrang geweckt werdet, trinkt vor dem Schlafen weniger.
  • Keine Stimulanzien: Koffein oder adrenalinsteigernde TV-Sendungen, Streitgespräche, Telefonate, familiäre Angelegenheiten oder ähnliches sollten vor dem Schlafengehen vermieden werden! Für Koffein gilt: Nicht mehr nach 16 Uhr!
  • Dunkelheit: Licht, das auf die Haut trifft, stört die körpereigene Produktion von Melatonin (dem natürlichen Schlafhormon), also Vorhänge zu und Handy beiseite!
  • Luft: Bei kühler Luft lässt es sich am besten schlafen. Und die Mitochondrien freuen sich auch.
  • Weiche Matratze: Die Art der Matratze ist entscheidend für guten Schlaf. Sie sollte das Gewicht gleichmäßig verteilen und Druckpunkte vermeiden. Tempur-Matratzen können hilfreich sein, ebenso wie Wasserbetten.
  • Schmerzmittel: Wenn der Schlaf durch Schmerzen gestört wird, sollte die Ursache der Schmerzen behoben werden. Wenn dies nicht möglich ist, sollten die Schmerzen mit entsprechender Arznei kontrolliert werden. Schlafmangel verschlimmert die Schmerzen nur.
Spätstück ist alles. (Bild: wirbelwirrwarr)

Schlaft gut!

Guter Schlaf ist also mehr als nur Erholung – er ist ein vielversprechender Schlüssel zur Bewältigung von CCI. Während wir schlafen, regeneriert sich das Gehirn, Entzündungen werden reduziert, und die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, arbeiten auf Hochtouren, um uns Energie zu liefern. Ein erholsamer Schlaf kann einen großen Unterschied machen und sollte daher in jeder Behandlung von CCI im Auge behalten und optimiert werden. Schlaft gut – eure Gesundheit wird es euch danken!


Kuklinski, B. (2018). Das HWS-Trauma. Ursachen, Diagnose und Therapie. Aurum.

Teitelbaum, J., Johnson, C., St. Cyr, J. (2006). The use of D-Ribose in CFS and Fibromyalgia: A pilot study. Journal of Alternative and Complementary Medicine, 12(9), 857-862. https://doi.org/10.1089/acm.2006.12.857